Das Geheimnis des Millionaers
Adrienne. War das wirklich der Grund, weshalb Chay zurückkam? Weil Mr. Stretton Geld besaß und Chay eine eigene Firma gründen wollte?
Zwar hing diese Frage den ganzen Tag über ihr wie eine dunkle Wolke, aber sie freute sich trotzdem auf die Party am Abend. Alle ihre Schulfreunde würden kommen – Mr. Stretton hatte sogar einen Diskjockey engagiert – und viele Leute aus dem Städtchen. Außerdem wollte sie Chay wiedersehen. Wollte wieder von ihm umarmt und gehalten werden, sie brauchte eine Versicherung nach diesem zarten Kuss. Doch er hielt sich im Hintergrund. Verständlich, denn jeder wollte natürlich mit dem Geburtstagskind tanzen. Später, sagte sie sich, später würden sie zusammen sein. Diesem Augenblick fieberte sie entgegen.
Schließlich war er nur ihretwegen gekommen. So musste es einfach sein. Warum sonst?
Piers dagegen hielt sich ständig in ihrer Nähe auf, und Adrienne machte es nicht allzu viel aus. Er war ein großartiger Tänzer und flüsterte ihr zu, wie schön sie aussehe in ihrem elfenbeinfarbenen Kleid, den goldenen Ohrsteckern und der goldenen Armbanduhr, einem Geburtstagsgeschenk ihrer Eltern. Außerdem gab es Chay vielleicht zu denken, wenn Piers so oft mit ihr tanzte.
Irgendwann im Laufe des Abends bat Angus um Ruhe, weil er eine Rede halten wollte. Er überreichte Adrienne vor den aufmerksamen Gästen eine samtene Schmuckschatulle.
„Für die junge Frau, die ich gern als Tochter hätte“, sagte er und lächelte sie warm und herzlich an.
Jeder applaudierte, und als Adrienne den Deckel aufschnappen ließ, funkelte ihr eine wunderschöne Granatkette entgegen. Die Steine waren in Gold gefasst und sahen alt und wertvoll aus. Überwältigt stammelte sie ein Dankeschön, und Chay legte ihr die Kette um und verschloss sie in ihrem Nacken. Das Gefühl seiner Finger auf ihrer Haut jagte ihr einen angenehmen Schauer über den Rücken.
„Sei vorsichtig mit dem Verschluss“, murmelte er ihr zu. „Der sitzt nicht besonders fest.“
Diese Worte sollten sie ihr Leben lang verfolgen. Denn aus Angst, die Kette beim Tanzen zu verlieren, legte Adrienne sie in das Etui zurück und brachte es zu den anderen Geschenken in das Bücherzimmer.
Als Adrienne nach der Party ihre Geschenke holen ging, konnte sie nicht widerstehen. Sie musste sich das wunderbare Schmuckstück noch einmal ansehen, bevor sie nach Hause ging.
Doch die Schatulle war leer. Vor lauter Schreck konnte sie nicht mehr sagen, ob sie die Kette wirklich abgenommen oder es nur vorgehabt und dann vergessen hatte. Lag sie jetzt vielleicht irgendwo auf dem Boden, zertreten, unauffindbar?
„Was ist denn, Darling?“ Piers kam ins Zimmer und trat hinter sie, und sie hielt ihm stumm das leere Etui entgegen.
„Es gibt also einen Dieb unter uns“, rief Piers. „Mein Onkel muss das erfahren.“ Damit nahm er sie beim Arm und zog sie zurück in den Salon.
„Adriennes Kette ist gestohlen worden“, verkündete er laut und zeigte auf die Schatulle, die sie noch immer in der Hand hielt. „Wir müssen die Polizei rufen.“
Jäh breitete sich eine schreckliche Stille aus. Adrienne kam sich vor wie in einem Albtraum. Sie sah, wie ihre Eltern sich bedeutungsvolle Blicke zuwarfen, und dann sah Angus, mit einem plötzlich alten und eingefallenen Gesicht, zu Chay.
„Du gehst besser und holst sie. Ich nehme an, sie liegt in deinem Zimmer.“
Und Chay antwortete leise: „Du weißt, dass die Kette dort ist.“
Angus nickte. „Hol sie. Und dann verlass dieses Haus, und komm nicht mehr zurück. Oder ich kann für nichts garantieren.“
„Und das war’s?“, brüllte Piers wütend. „Er bestiehlt Gäste unter diesem Dach, und du lässt ihn gehen? Er muss verhaftet werden.“
„Noch bist du nicht der Herr in diesem Haus, Piers“, rügte Angus seinen Neffen streng. „Ich entscheide, wie die Sache gehandhabt wird. Chay wird mir die Kette bringen, und dann wird er gehen.“
Adrienne weigerte sich, die Kette noch einmal anzunehmen, denn sie würde sie immer an Chay erinnern. Wie er sie ihr umgelegt hatte, wie seine Finger ihre Haut gestreift hatten. Und daran wollte sie nie wieder denken.
Damit war nicht nur die Party ruiniert, sondern ihr ganzes Leben. Denn Chay, den sie liebte, hatte sie bestohlen …
Adrienne schlug die Augen auf und kehrte in die Gegenwart zurück. Einen Moment starrte sie auf die Windschutzscheibe und glaubte, es regnete wieder, doch es waren Tränen, die ihr die Sicht verschleierten.
Weil die Gefühle für
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