Das Geheimnis des Millionaers
Tag voller Versprechen, bis die Erinnerung zurückkam.
Sie musste ja nur den Morgen irgendwie überstehen, sagte sie sich entschieden und stand auf. Am Nachmittag kamen Chays Gäste, dann blieb ihr gar keine Zeit mehr für ihre eigenen bedrückenden Gedanken.
Als Adrienne ins Esszimmer ging, verriet ihr ein benutztes Gedeck, dass Chay bereits gefrühstückt hatte. Sie trank den frischen Kaffee, den Mrs. Whitley servierte, und zerkrümelte eine Scheibe Toast, anstatt sie zu essen. Dann stellte sie alles Geschirr auf ein Tablett und trug es in die Küche.
Die Reinigungsmannschaft war angerückt und fleißig im Gange. Überall blitzte und blinkte es, und The Grange sah schöner aus denn je. Trotz allem, was passiert ist … es ist eine Ehre, bei der Restaurierung mitgearbeitet zu haben und beobachten zu dürfen, wie das Haus zu neuem Leben erwacht, dachte Adrienne mit einem Seufzer.
„Da ist ein Fax für dich gekommen.“ Chay stand in der Tür seines Arbeitszimmers und hielt ihr ein Blatt Papier entgegen, als sie durch die Halle ging. Er sah müde und alles andere als gut gelaunt aus und brauchte dringend eine Rasur. Bei seinem Anblick floss Adriennes Herz über vor Liebe und Sehnsucht.
„Danke“, sagte sie kühl, als er das Blatt auf das Tablett legte.
Die Nachricht war kurz: Komm auf einen Kaffee rüber. Ich hab eine Überraschung für dich. Zelda.
„Du hättest ihr erklären sollen, dass ich an diesem Wochenende die erste Option auf deine Zeit habe“, erwiderte Chay im gleichen kühlen Ton.
„Alles ist fertig.“ Sie hob das Kinn. „Ich kann mir sicher eine halbe Stunde Pause nehmen, für gutes Benehmen.“ Sie zögerte. „Ich frage mich, ob du mich überhaupt brauchst.“
„Was, zum Teufel, soll das jetzt wieder heißen?“
„Dein zusätzlicher Gast“, sagte Adrienne leise. „Will sie nicht als deine Gastgeberin fungieren?“
Chay schüttelte den Kopf. „Sie ist eher zurückhaltend. Sie würde es hassen.“
„Dann wirst du in Zukunft nicht sehr viele Gesellschaften geben, oder?“
„Lass das nur meine Sorge sein“, meinte er abweisend. „Und sieh zu, dass du rechtzeitig wieder zurück bist.“
„Natürlich.“
Um kurz vor elf Uhr fuhr Adrienne zum Cottage. Zelda wartete schon auf sie, mit frisch gebrühtem Kaffee.
„Also, was für eine Überraschung ist es?“
„Ich habe mir gedacht, dein kleines Schwarzes braucht Unterstützung.“ Zelda reichte Adrienne eine flache Schachtel. Darin lag ein Übermantel aus schwarz-silbernem Brokat.
„Wann in aller Welt hast du den denn genäht?“ Sie schlüpfte hinein und sah an sich hinunter. „Der ist ja umwerfend.“
„Gestern Abend. Aus einem Stoffrest von dem kleinen Salon, den wir für Lady Gilmour erneuert haben.“ Zelda grinste. „Die alte Schachtel kommt doch hoffentlich nicht zum Dinner, oder?“
„Nein, nur zur Cocktailparty morgen Abend. Aber auf die gehe ich vielleicht schon nicht mehr.“
„Wieso?“ Zelda starrte sie verdutzt an. „Ich dachte, das ist alles fest geplant.“
Adrienne zuckte mit den Schultern. „Die Pläne ändern sich ständig.“ Sie zog den Übermantel aus und faltete ihn behutsam zusammen. „Zelda, ich glaube, ich halte es nicht mehr aus.“
„Ach, Liebes.“ Zelda seufzte schwer. „Genau das hatte ich befürchtet. Du hast dich in Chay verliebt.“
Mit den Fingerspitzen fuhr Adrienne über den erlesenen Brokat. „Ich liebe ihn schon mein ganzes Leben.“
„Adrienne, vor ein paar Wochen wolltest du noch Piers Mendoza heiraten.“
„Da habe ich mich selbst belogen. Ich habe das Haus geliebt, nicht Piers. Aber er war die Brücke zu meiner Vergangenheit, und es sah ja so aus, als wollte er mich. Außerdem war ich überzeugt, dass Chay nie zurückkommen würde. Und dass ich ihn hasse. Ich musste ihn hassen, wegen all der Dinge, die in der Vergangenheit passiert sind. Also habe ich dieses Fantasiebild aufgebaut, dass ich Piers angeblich liebe.“
„Grundgütiger! Aber Chay ist zurückgekommen.“
„Ja.“ Adrienne lächelte unglücklich. „Und ich habe ihn verloren.“ Sie stockte. „Er hat eine andere gefunden.“
„Wer ist sie?“
„Das weiß ich nicht. Aber sie kommt dieses Wochenende, und er hat sie im Zimmer neben sich untergebracht. Ich glaube, das halte ich nicht durch“, stieß sie verzweifelt aus.
„Bist du sicher, dass es nicht wieder nur das Haus ist?“, fragte Zelda sachlich.
„Natürlich. Es war immer Chay.“ Ihre Stimme bebte. „Nur war ich so vernebelt …“
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