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Das Geheimnis des Nostradamus

Das Geheimnis des Nostradamus

Titel: Das Geheimnis des Nostradamus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Uschi Flacke
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Schüsselchen und schnupperte lustlos. Widerwillig schob sie einen Holzlöffel von dem Brei in den Mund.
    Im gleichen Moment hörten sie aufgebrachte Stimmen auf der Rue St. Georges. Jemand schrie: »Es waren die Juden, die Unheil über das Land gebracht haben!«
    »Brunnenvergifter!«, hallte es hoch in den ersten Stock. »Juden raus!«
    »Juden raus! Juden raus!«, geiferte ein Pulk von Menschen, die sich vor dem Arzthaus zusammengerottet hatten.
    Dann flog ein Stein. Das bleiverglaste Fenster zersplitterte. Scherbenstücke fielen schillernd zu Boden. Dann war es wieder still. Die Morgensonne fiel auf das Weidenkörbchen von René, in dem immer noch ein paar vertrocknete Rosenblätter lagen. Im gleichen Moment klopfte es an der Wohnzimmertür. Es war ein junger Bursche, der Nostradamus hastig ein versiegeltes Dokument in die Hand drückte und gleich wieder verschwand. »Von Catherines Eltern?«, sagte Nostradamus überrascht, als er das Siegel mit dem Löwenkopf erkannte. Das Pergament knisterte leise, als er es auseinander faltete.
    »Sie verlangen die Mitgift zurück!«, stieß er fassungslos hervor und fing derart an zu lachen, dass ihm Tränen übers Gesicht liefen. Heiser und gespenstisch platzte es aus ihm heraus. »Die Mitgift für Catherine! Ihre Eltern wollen die Mitgift zurück!« Schluchzend rannte er in sein Arbeitszimmer und warf mit aller Kraft die schwere Holztür hinter sich zu.
    Marie hörte immer noch wie in einem unendlichen Echo Stimmen von der Straße heraufhallen. »Juden raus!«
    Wieso glaubten die da unten eigentlich, dass Nostradamus aus einer jüdischen Familie stammte? Es wusste doch keiner davon. Oder doch? Plötzlich machte sich eine Ahnung in ihr breit, die wie ein schwelendes Feuer aufloderte. Manuel? Hatte er etwa weitererzählt, was sie in Montségur ausgeplaudert hatte? Aber warum? Marie fühlte sich plötzlich von einer gleißenden Welle erfasst, als die Erinnerung unverhofft Bildfetzen in ihr aufblitzen ließ, um sie zu einem Ganzen zu ordnen. Sie sah zwei junge Kuttenträger, die in flirrender Hitze auf Agen zukamen. Sie hatten ungewöhnlich bleiche Lippen… Jetzt war sie in dem Unterschlupf in Montségur, eine Priesterkutte hatte ihr als wärmender Umhang gedient… Im flirrenden Gegenlicht stand Manuel, seine Lippen waren bleich, so bleich, als hätte ihn eine schwere Krankheit befallen…
    Manuels Ledertasche! Marie spürte, wie das Blut in ihrem Körper hemmungslos anfing zu pulsieren und mit einem Mal hochpeitschte, als wollte es sie zerreißen. Die Ledertasche hatte sie ja ganz vergessen! Sie lauschte, und als selbst nicht der leiseste Atemzug zu hören war, bückte sie sich blitzschnell und zerrte die Tasche unter dem breiten Samtsofa hervor. Es war mit einem goldenen Schloss versperrt. Marie stürzte los und holte ein Gerät, das Nostradamus benutzte, um Metalle zu schneiden. Mühelos war das kleine Schloss aufgebrochen. Maries Finger zitterten, als sie die ledernen Tragebügel auseinander drückte. In der Tasche lag zusammengefaltet die Kutte, darunter ein silbriger Rosenkranz mit schwarzen Holzperlen und schließlich zwei Glasröhrchen, die verkorkt waren. In ihnen schimmerte eine schaumig rötliche Substanz auf.
    Was war das für eine Flüssigkeit? Blitzschnell jagten ihr weitere Gedanken durch den Kopf. Wozu brauchte Manuel Priesterkutte und den Rosenkranz? Und hatte er sie nur nach Montségur mitgenommen, um sie auszuhorchen? Marie presste in hilfloser Wut die Lippen aufeinander. Sie musste sich Nostradamus anvertrauen!
    Aber jedes Mal, wenn Marie vorsichtig das Gespräch mit ihm suchte, führte er sich auf, als wäre er von dunklen Mächten besessen. Er tobte und verdammte Agen mit seinen Kleingeistern, während Anwälte und Notare ihm die Türe einrannten. Tatsächlich hatten Catherines Eltern einen Prozess gegen ihn angestrengt, um auch das Haus, das zur Erbschaft gehörte, wieder einzuklagen. Sie ließen Möbel und Gerätschaften abholen und gaben ihm nur eine knappe Frist, um das Wohnhaus ganz zu verlassen.
    »Sieh sie dir an!«, fluchte er eines Morgens, als er ans Fenster wankte. Er hatte wieder getrunken. Der leere Weinkrug lag auf den Bretterdielen des ausgeräumten Wohnzimmers. Nur das grüne Sofa war ihnen in diesem Raum geblieben. Viereckige, helle Flecken, auf denen vorher die Ölgemälde gehangen hatten, wirkten wie trostlose Überbleibsel einer vergangenen Zeit.
    Sein unrasiertes Gesicht war verhärmt, sein Blick voller Hass auf die Rue St. Georges

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