Das Geheimnis des perfekten Tages (German Edition)
geben 50 Prozent ihres Einkommens dem Staat, zahlen 80 Prozent der Einkommenssteuer, den größten Teil der Körperschafts-und Unternehmenssteuern, sowie einen überproportional hohen Anteil der Mehrwertsteuer und sichern so die Grundversorgung der Armen. Kennt jemand eine Ära, in der es mehr Gerechtigkeit gegeben hätte? Ich nicht. Mag sein, dass es in Sachen Gleichheit in Nordkorea besser aussieht, aber wahrscheinlich auch nur aufgrund der Tatsache, dass die Parteibonzen dort ihre Statistiken selber fälschen dürfen. Noch vor 100 Jahren war in unseren Städten Dauersmog und man erstickte im Pferdedreck, die Scheiße floss durch die Dörfer und die Menschen starben mit 28 an Tuberkulose. Einzig das Lebensglück hat sich in der Tat nicht vermehrt. Warum nicht? Egal.
Die Kaffeemaschine ist heiß. Sie muss eine Temperatur aufweisen, die an sizilianische Vulkane erinnert. Es handelt sich bei meiner Siebträgermaschine schließlich nicht um einen primitiven Vollautomaten oder einen Kapsel-Auslutscher, also Maschinen, die einen Espresso erzeugen, wieer üblicherweise in deutschen Restaurants serviert wird, lauwarm, labbrig, ölig, ein schwarzes Süppchen aus drei armseligen, vor Wochen sinnlos dahingemeuchelten, rosinengleich verschrumpelten, durchgeschmorten Bohnen, die, schon scheinbar verwest, einen bemitleidenswerten verbrannten Sud erzeugen, ein modriges, dem Connaisseur ungenießbares koffeinhaltiges Heißgetränk, das einen wirklichen Caffé nicht einmal simuliert oder imitiert, sondern persifliert, in einem Akt der Travestie, ja, der Vortäuschung falscher Tatsachen, der Lüge, des Betruges, der Hinterhältigkeit, der Sünde! So etwas wird niemals den Weg über meine Schwelle finden!
Meine Maschine verfügt über ein Wärmetauschersystem, das gleichzeitige Kaffee-und Dampfentnahme ohne zusätzliches Aufheizen ermöglicht. Das Entlüften entfällt. Der Bolide besitzt einen professionellen Brühkopf und einen 2150ml-Kupferboiler mit konstanter Dampfleistung. Der Kaffee ist elfenbeinschwarz, was aber dezent verborgen bleibt unter einem sämigen, fingerdicken Schaum. Er wird gebrüht aus frisch gemahlenen und von gebenedeiten Händen goldbraun gerösteten Arabicabohnen, deren Aroma den Ansprüchen eines italienischen Truckers in den Abruzzen genügt. Der Wasserdampf presst sich durch das feine Pulver und nimmt Geschmacksstoffe auf, die in der Tasse explodieren. Zucker wirkt als Geschmacksverstärker. Was für ein Triumph der molekularen Küche!
Kaffee ist reine Essenz. Er weckt Tote auf! Einen solchen Kaffee muss Jesus ausgeschenkt haben, als er den Lazarus heilte oder die frisch verstorbene Tochter des Synagogenvorstehers Jairus ins Reich der Lebenden zurück beorderte. Bibelkenner werden das bestätigen. Es könnten damals aberauch zehn Prozent Robustabohnen beigemischt worden sein. Man war vor 2.000 Jahren noch nicht so wählerisch.
Ich setze dem wiedereinsetzenden „Padumm“ von der Straße das „Rrrrrrrrrr“ meiner Kaffeemühle entgegen. Wie viel mehr Genuss verspricht das mühsame und dennoch heitere Kratzen des gnadenlosen Mahlwerks. Gleich wird der Kaffee mit aller Kraft ins Sieb gedrückt, verdichtet, verdichtet, und lautlos noch einmal verdichtet, kein „Padumm!“. Dann wird er von Wasserdampf durchnässt. Schaumig braun sabbert der Espresso in die Tasse. Der Zucker bettelt bereits um baldige Auflösung. Rühren. Der Tag kann beginnen. Halleluhja!
08 59
Weiße Brötchen sind gut. Ich bin ein ganz, ganz großer Fan von weißen Brötchen! Man findet ja heute nicht mehr einfach etwas „gut“ oder „lecker“. Man ist „Fan“. Das kommt von fanatic. Ich bin nicht fanatisch, was weiße Brötchen angeht. Ich kreische nicht, wenn ich in eine Bäckerei komme. Aber ich finde weiße Brötchen Wahnsinn! Heute ist alles Wahnsinn! Warum nicht auch weiße Brötchen?
Sie bestehen fast ausschließlich aus kurzkettigen Kohlehydraten und treiben den Insulinspiegel in die Höhe. Leider fällt er genauso schnell wieder herunter, und der Hunger kehrt zurück. Dann kann man noch mehr weiße Brötchen essen bis man aussieht wie ein weißes Brötchen. Langkettige Kohlehydrate wären besser. Stärke beispielsweise, die massenhaft in Kartoffeln steckt, ist auch ein Kohlehydrat, setzt sich aber nicht annähernd so schnell auf die Hüfte und hält länger vor. Trotzdem schneidet man sich morgenskeine Kartoffel auf, um sie dann mit drei Scheiben Salami oder einem fetten Schlag Marmelade zu belegen. Komisch.
Leider
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