Das Geheimnis des perfekten Tages (German Edition)
Laufe des Tages darüber nachdenken.
09 14
Zwischendurch gehen mir immer wieder allgemeine Gedanken über das Leben durch den Kopf. Es war, so glaube ich zumindest, Mario Vargas Llosa, der gesagt hat: „Das Leben ist ein Sturm aus Scheiße und die Kunst der einzige Schirm, den wir dagegen haben.“ Das muss metaphorisch gemeint gewesen sein. Zumindest in Mitteleuropa regnet es nur selten Scheiße – und wenn dann nur, wenn man hinter einem Güllewagen herfährt, dessen Besitzer den Hahn nicht richtig verschlossen hat. Vorsicht! Dann wird es glatt! In ländlichen Gebieten nennt man das „Bauernglatteis“. Sehr gefährlich!
Ich habe eine andere Theorie als Herr Llosa. Ich glaube, das Leben ist ein Showroom. Man zeigt, was man hat, hofft auf gute Geschäfte und geht entweder pleite oder vererbt den Laden. Spätestens die Enkel werden dann das Erwirtschaftete wieder versoffen haben, weshalb unser Erbrecht so hervorragend funktioniert und nicht zur Dynastiebildung führt.
Man könnte also auch sagen: Das Leben ist ein auf und nieder. Allerdings ist eine solche Definition ziemlich unscharf. Es ist wie in der Quantenphysik. Je schärfer die Aussage, je kleiner der Ort, an dem sie zutrifft. Und umgekehrt. Je allgemeiner die Aussage, umso mehr Orte gibtes, an denen sie gilt. Dann aber ist sie meist nichtssagend. Beispiel: Die Aussage „Das Leben ist kurz“ ist immer und überall zutreffend, weil sie an nicht zu widerlegen ist. Sie stimmt überall, wo die Menschen das Leben nicht als „lang“ empfinden. Allerdings sagt die Aussage deswegen auch so wenig aus. Was bedeutet schon die Information, dass das Leben kurz sei? Sie besagt, dass die objektive statistische Lebenserwartung nicht als übermäßig großzügig angesehen wird, was angesichts unserer Sterblichkeit verständlich ist.
Ich kenne niemanden, der behaupten würde, dieses Leben sei aber unglaublich lang. Ich habe noch nie gehört, wie jemand vor sich hin brabbelt: „Scheiße, das zieht sich aber alles hier auf Erden! Mein Gott, das hätte man kürzer gestalten können, dieses ganze Leben ist von einer Dauer, das hältst du nicht aus!“
KÜCHENGERÄTE
Steckt das Haushaltsmesser in der Gattin, hat es vermutlich Ärger gegeben, den man endgültig und ohne Möglichkeit zur Wiederaufnahme der Diskussion beenden wollte. Allerdings fängt der Schlamassel mit der Bluttat oft erst richtig an. Polizei und Staatsanwaltschaft haben meist recht wenig Verständnis für plausible Ausreden wie: „Das ist mir noch nie passiert!“ oder „Ich bin ausgerutscht, ehrlich!“ Auch ein Satz wie: „Ich musste sie Messer machen. Sie war so scheiße!“ hilft vor Gericht nur bedingt weiter. Selbst beim ersten Mord gibt es in vielen Fällen schon eine saftige kostenpflichtige Verwarnung plus Bewährungsstrafe! Das ist ja auch gut so. Wenn man jeden abstechen dürfte, der einem das Leben zur Hölle macht, hätten wir starken Bevölkerungsschwund. Allerdings hätte dies auch positive Effekte: Die Scheidungsraten würden zurückgehen. Lästige Unterhaltszahlungen würden dann durch die meist erheblich niedrigeren Kosten für die Grabpflege ersetzt.
Ich kann mir aber vorstellen, dass es Leute gibt, die so denken. Wahrscheinlich ist dieser Jemand gerade 50 geworden und sagt zu seinen Freunden und Verwandten: „Leute, das habe ich mir anders vorgestellt. Ich lebe jetzt schon eine unglaublich lange Zeit! 50 Jahre! Das sind unvorstellbare 50 Sommer und 50 Winter! Wie lang geht das denn noch?!“ Dann würde er sich umdrehen, die Straße betreten und überfahren werden. „Flapp, flapp“ würde es machen, Vorderachse, Hinterachse. Das war’s. Man könnte auf den Grabstein dieses Mannes schreiben: „Er hat sich, die Dauer seines Lebens betreffend, geirrt.“ Vielleicht stimmt das aber auch gar nicht. Vielleicht hat der Mann seine 50 Lebensjahre wirklich als genug empfunden. Vielleicht hatte er chronische Schlafstörungen. Oder ein gestörtes Zeitempfinden. Oder vielleicht war er einfach lebensmüde. Oder ein Trottel. Es ist schwer allgemeingültige Aussagen über das Leben zu treffen, außer vielleicht diese: „Das Leben dauert oder es dauert nicht, an dem oder jenem Tag.“ Der Satz klingt wie von Brecht, ist er aber nicht. Und vermutlich wird er ihn auch nicht mehr sagen. Brecht ist tot. Aber Recht hätte er gehabt.
Für mich ist Langeweile etwas Unvorstellbares. Es gibt so viel zu tun! Die Garage muss aufgeräumt, Wäsche muss gewaschen, Zäune gestrichen, Fahrräder
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