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Das Geheimnis des Rosenhauses - Roman

Titel: Das Geheimnis des Rosenhauses - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Annette John
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wollten das nicht sehen, doch sie konnten sich nicht rühren, sahen, wie die Wölfin den Prinzen umsprang, knurrend und geifernd. Der Prinz tobte, schrie heiser sein »Vagate!« und schlug um sich, ehe er sich weinend einrollte und wie Bumbum den Daumen in den Mund steckte. Die Wölfin beschnüffelte ihn ausgiebig, leckte ihn, als sei er eins ihrer Jungen, heulte auf wie unter schrecklichem Schmerz, verwandelte sich in Rauch, in eine dünne, schwarze Fadensäule aus Rauch, die sich drehte und durch den Mund in den Prinzen hineinfuhr.
    Der schrie von Neuem, erbrach sich, immer und immer wieder, bis nur noch Flüssigkeit kam und endlich nichts mehr als ein Röcheln. Ein letztes Mal bäumte er sich auf und würgte einen Wurm aus, eine bleiche Made. Der Rauch fuhr aus ihm heraus, wurde zur Wölfin, wurde zu Graviata, einer schrecklichen Graviata, einer furchtbaren Hexe, die keinerlei Ähnlichkeit hatte mit Lulus und Rafaelas Mama. Schnell wie der Blitz stürzte sie sich auf die Made, zermanschte den bleichen Wurm, zerrieb ihn zwischen den Händen. »Verrochen!« , krächzte sie, »ah, verrochen de vannenem selem!«
    Sie breitete die Handflächen aus und Graviata war wieder sie selbst. Erschöpft schleppte sie sich aus dem Raum. Der Rauch war verschwunden, nur Schmutz, Gestank und ein paar Fetzen Wolfsfell zeugten von dem, was gerade geschehen war. Der Prinz lag schlafend auf dem Boden und seine Haut leuchtete rein und rosig wie die eines Babys.
    »O Mann«, hauchte Rafaela.
    »O Mannomannomann«, wiederholte Lulu zitternd . »Das hätten wir nicht sehen sollen.« Rafaela schüttelte stumm den Kopf.
    Eigentlich sollten sie nun schleunigst über das Dach zurückkriechen, aber sie waren noch nicht in der Lage dazu. Graviata kam zurück. Sie trug wieder ihre normale Kleidung und schleppte zwei Eimer voll heißen Wassers. Mit dem Fuß stieß sie den Käfig der Helferlein herein. Sie wusch den Prinzen selbst und deckte ihn zu, den Rest erledigten die Holzkerlchen. Zum Schluss zündete Graviata eine Duftlampe an und weckte dann sanft den Prinzen auf.
    Der gähnte und räkelte sich, brauchte eine Weile, um zu begreifen, dass er nackt unter einer Decke in Graviatas Labor lag, brauchte noch eine Weile, um sich zu erinnern, warum er da lag. Und dann konnte man sehen, wie die Erinnerung zurückkam, als dunkelrote Schamröte stieg sie ihm vom Hals bis zu den Haarwurzeln. Lulu hatte Angst, dass der Ausschlag wieder käme, doch Graviata hatte die Situation im Griff.
    »Hoffentlich war es keine allzu wilde Sitzung, Hoheit«, sagte sie. »Das Dumme ist, dass ich mich hinterher überhaupt nicht an das erinnere, was während der Behandlung geschah.«
    »Ach«, machte der Prinz. »Es war gar nicht so schlimm.« Grenzenlose Erleichterung ließ die Schamröte verblassen. Er wickelte sich in die Decke, stand schwankend auf, wankte zum Spiegel und starrte sich sprachlos an.
    »Graviata«, sagte er dann leise, »Ihr seid die Beste.«
    »Stimmt«, bestätigte sie trocken. »Verzeiht, Hoheit, wenn ich Euch nicht beim Ankleiden helfe, aber ich bin etwas erschöpft. Auf dem Tisch dort liegt ein Fläschchen mit schwarzem Pulver an einer silbernen Halskette. Hängt die Kette um und tragt das Fläschchen immer bei Euch. Versprecht mir, es nie zu vergessen.«
    »Wozu ist es gut?«
    »Es schützt vor fremdem Zauber.«
    »Vor fremdem Zauber? Wollt Ihr damit sagen, dass …«
    »Ich will damit sagen«, unterbrach ihn Graviata, »dass ein so aggressiver Zauber, wie ich ihn eben angewendet habe, nur gegen einen anderen aggressiven Zauber wirkt. Gegen jede, sagen wir, natürliche Krankheit wäre er wirkungslos.«
    »Ihr macht mir Angst, Graviata. Wer sollte mir so etwas Böses antun?«
    »Ich weiß es nicht, Hoheit, aber ich werde es herausfinden. Und Angst braucht Ihr nicht zu haben, das Pulver wird Euch schützen. Tragt es immer bei Euch, Tag und Nacht, und gebt es nie in fremde Hände. Morgen werde ich auch für Eure Eltern solche Schutzzauber anfertigen. Doch nun sagt mir, was haltet Ihr von einem kleinen Imbiss?«
    »Madame Graviata, Ihr wechselt die Gesprächsthemen schneller, als ein Hase seine Haken schlägt. Aber ja, ein Imbiss wäre wunderbar. Um ehrlich zu sein, ich habe einen Appetit, als hätte ich seit Tagen keine Mahlzeit zu mir genommen.«
    »Gut, dann erwarte ich Euch in der Küche. Oder ist es für einen Kronprinzen unzumutbar, in der Küche zu essen?«
    »Mit Euch, Graviata, wird eine Küche zum Thronsaal«, entgegnete er charmant.
    Sie

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