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Das Geheimnis des Rosenhauses - Roman

Titel: Das Geheimnis des Rosenhauses - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Annette John
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beruhigte sich ein wenig. Sie wollte nachschauen, ob die Gobblings noch da waren und auf sie warteten, wie Graviata behauptet hatte. Aber das vergaß sie dann irgendwie, der Traum ging anders weiter. Lulu ärgerte sich, aber ändern konnte sie es nicht.

6. Kapitel
    M orgens fragte Lulu sich bang, wie sie ihrer Mutter begegnen sollte, wie sie es schaffen sollte, ihr in die Augen zu schauen und unschuldig zu tun, als wüsste sie nichts von Wolfsfrauen, Maden und nackten Prinzen. Doch das Problem stellte sich gar nicht. Graviata am Frühstückstisch, umflossen von Morgensonne und einem dunkelroten Hausgewand, war dem wilden Hexengeschöpf der letzten Nacht ferner als der Mond der Erde. Sie residierte im Speisezimmer und besprach sich mit zwei Leuten, die sie den Kindern als Mamsell Irene und Meister Voss vorstellte, Schneiderin und Lehrer für Lebensart.
    »Mamsell Irene wird euch Kleider nähen, die ihr zur Audienz bei der Königin tragen werdet. Meister Voss wird euch unterrichten, damit ihr mich und euch selbst nicht blamiert. Von heute an wird er euch an jedem Vormittag Unterricht erteilen. Es wird Zeit, dass ihr lernt, wie man sich außerhalb unseres Waldes benimmt.«
    Lulu schluckte. Sie hatte sich vorgenommen, sofort nach dem Frühstück aufzubrechen, um Corina zu suchen. Danach wollte sie zu Damiano in die Akadamie, er musste sein Amulett bekommen und mithilfe der gelehrten Bücher Jovindas Text übersetzen. Außerdem wollte sie ihn so schrecklich gerne wiedersehen.
    »Die Nachmittage habt ihr zu eurer Verfügung«, sagte Graviata, »doch jetzt lasst Mamsell Irene rasch Maß nehmen und dann setzt euch zum Frühstück.«
    Mamsell Irene war eine flinke, kleine Person. Wenn sie ein Tier gewesen wäre, dann ein Vogel, überlegte Lulu, eine Amsel wahrscheinlich, oder doch eher eine Maus. Sie wuselte mit ihrem Maßband um die Kinder herum und malte mit einem Stift geheimnisvolle Zeichen in ein kleines Buch.
    »Welche Farbe wollt ihr für eure Kleider?«, fragte sie abschließend, als sie ihr Buch zuklappte.
    »Rot«, sagte Rafaela bestimmt, »roten Samt.«
    »Schwarz«, sagte Lulu.
    »Bumbum«, sagte Bumbum.
    »Rosa«, sagte Mamsell Irene beleidigt. »Rosa Baumwolle für die Mädchen und hellblaue für den Jungen. Das sind die einzigen Farben, die Ihre Majestät an Kindern sehen will. Dazu natürlich Rüschen und weiße Schleifen für die Mädchen, für den Jungen eine Schärpe und eine Kappe.«
    Rafaela zeigte eine Miene des Ekels, als müsse sie sich gleich übergeben, doch ein Hüsteln von Graviata ließ sie innehalten. So machte sie nur noch ein grimmiges Gesicht. Zu Hause wäre sie heulend aus dem Zimmer gerannt und hätte sich auf ihr Bett geworfen.
    Mamsell Irene wuselte fort und die Kinder setzten sich zum Frühstück. Das war auch keine reine Freude, denn Meister Voss hatte beschlossen, seinen Unterricht sofort zu beginnen. Ständig krittelte er an ihnen herum, verbesserte ihre Haltung, zeigte ihnen, wie man ein Besteck richtig hielt, welches Gesicht zu welchem Gericht passte, über welche Themen man sprach, wie voll man den Mund nehmen durfte, wie viel Rest auf dem Teller liegen bleiben musste und wie man es hinbekam, beim Essen zu sprechen, ohne dass aus dem Mund herausfiel, was man gerade hineingestopft hatte. Ziemlich entnervend, fand Lulu.
    Als sie fast fertig waren, kam Wanda und brachte einen riesigen Blumenstrauß. Rosen in allen Farben.
    »Für Euch, Madame Graviata, von seiner Hoheit, dem Kronprinzen. Ein Brief ist auch dabei.«
    »Lies vor«, sagte Graviata, suchte zwei besonders schöne Rosen heraus und reichte sie ihren Töchtern. Bumbum bekam auch eine, doch bevor sie ihm die Blume gab, biss Graviata alle Dornen ab und spuckte sie auf ihren Teller. Meister Voss war einer Ohnmacht nahe, er musste sein Riechfläschchen zücken.
    »Wie bitte?«, fragte Wanda.
    »Mach schon, lies vor!« Ungeduldig wedelte Graviata mit den Blumen.
    Wanda brach den Brief auf, vier Glöckchen an bunten Bändern fielen heraus. Sie legte sie auf den Tisch, räusperte sich und las:
    »Geschätzte Madame Graviata, liebe Freundin,
    wie ich Euch bei unserer gestrigen Unterredung versprochen habe, besteht kein Grund mehr, Euch Sorgen um das Wohlergehen Eurer Tiere zu machen. Das gesamte Personal der Palastgärten sowie die Soldaten der Wache haben strikten Befehl, den Hund, die Katze, den dicken kleinen Bären und den Papagei in Ruhe ihrer Wege ziehen zu lassen, wo immer diese Wege innerhalb der Palastgärten auch hinführen

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