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Das Geheimnis des Rosenhauses - Roman

Titel: Das Geheimnis des Rosenhauses - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Annette John
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schon sagen können, warum ein Mädchen sich übergeben muss, wenn es von ihm geküsst wird, aber er trampelte mit seinem schweren Stiefel auf meinem verletzten Fußgelenk herum, dass ich nur noch stöhnen konnte.
    ›Wenn ich sie hab, die Mis… Mistgöre, werd ich ihr beibringen, was Dankbarkeit heiß, und die andere, das Rabenmädchen, das werd ich …‹
    Etwas Unsägliches kündigte er an, das ich auf keinen Fall wiederholen werde, aber er hatte Rabenmädchen gesagt. Natürlich wusste ich da, von wem er sprach, und ich konnte mir so ungefähr zusammenreimen, was geschehen war.
    ›Jetz bring ich dich zu ihr, zu deiner Mutterschlampe, und dann werd ich sie …‹
    Er kam nicht mehr dazu, mir zu verraten, was er tun wollte. Plötzlich durchschoss mich eine solch furchtbare Wut, dass ich nicht mehr wusste, was ich tat, und ich hieb ihm mit aller Kraft unters Kinn.
    Es krachte, als sein Kopf zurückflog, und es rumste noch mal, als er hinterrücks auf den Steinboden knallte.
    Fettsack winselte erschreckt und wollte zu ihm eilen, aber Pinter an der Wand gegenüber machte sich lang. Der Dicke stolperte, ruderte ein paarmal nutzlos mit den Armen, dann platschte er zu Boden, die Lampe in seiner Hand zerbarst und es war dunkel. Ganz kurz noch ein Scharren und ein merkwürdiges Röcheln, dann wurde es still.«
    In der Höhle aber brach ein Lärm ohnegleichen los. Die Rattenkinder sprangen auf, fuchtelten mit den Armen, mit den Bratspießen, boxten in die Luft, prügelten auf unsichtbare Gegner ein, würgten sie, traten sie und riefen: »Nimm dies, Mistbock! Steck’s ein, Fettsack!« Sogar Bumbum hieb ein paarmal mit seinen kleinen Fäusten in die Luft. Damiano grinste und sah mit einem Schulterzucken zu den Mädchen hin.
    Schließlich beruhigte sich der Zirkus und die Kinder nahmen wieder ihre Plätze ein.
    Damiano fuhr fort: »Es war nicht lange still. Pinter fing an zu kichern und klatschte in die Hände wie ein Kind. Ich aber tastete nach dem Schlüsselbund auf dem Boden herum und betete sämtliche Zaubersprüche her, die ich kenne, dass er nicht außerhalb meiner Reichweite lag. Pinter begriff endlich, was ich tat, und begann auf seiner Seite ebenfalls den Boden abzusuchen. Plötzlich quiekte er erschrocken, er habe sich an einer Scherbe geschnitten, an einer Lampenscherbe, die im Hals von Fettsack steckte.
    ›Glaubst du, ich habe ihn umgebracht?‹, fragte er furchtsam.
    ›Wenn schon‹, gab ich entnervt zurück. ›Du hast ein ganzes Dorf umgebracht, da kommt’s auf einen mehr oder weniger auch nicht an!‹
    Plötzlich kam mir, wo der Schlüssel liegen musste. Ich hatte ihn aufschlagen hören, bevor der Große zu Boden gegangen war. Unendlich vorsichtig wälzte ich ihn auf den Bauch. Er war nicht tot, sein Schnapsatem verpestete nach wie vor die Luft, aber er war sehr, sehr weit weggetreten. Und unter ihm lag der Schlüsselbund, wie ich’s mir gedacht hatte. Ich suchte den Schlüssel für Pinters und meine Fußschellen und dann waren wir die Ketten los. Wir legten sie dem Großen an. So konnte er, wenn er aufwachte, nicht zur Tür rennen und Alarm schlagen. Er würde warten müssen, bis jemand käme.
    ›Und jetzt?‹, rief Pinter. ›Was machen wir jetzt?‹
    ›Jetzt verschwinden wir von hier. Oder möchtest du lieber noch ein wenig bleiben?‹
    Da fing er wieder an zu kichern wie ein verrücktes Huhn und beruhigte sich erst, als ich drohte, ihn zurückzulassen, wenn er sich nicht zusammenreißen könne. Wir zogen die Gürtel der Wärter und ihre Umhänge an, Pinter auch die Stiefel des Großen, hakten die Schlüsselbunde ein und gingen zur Tür hinaus, einfach so. Fettsack ließen wir ohne Fußketten liegen. Er brauchte keine mehr.
    Ich hatte mir ziemliche Sorgen gemacht, ob Pinter es fertigbrächte, sich wie ein Wärter zu benehmen, ob er nicht ständig kichern, brabbeln und uns verraten würde. Tatsächlich hatte ich sogar mit dem Gedanken gespielt, ihn zurückzulassen. Schließlich schuldete ich ihm nichts, kannte ihn nicht einmal. Zum Glück hab ich’s nicht getan, denn er war fantastisch. Kaum hatte er den Umhang eines Wärters umgelegt und die Kapuze tief ins Gesicht gezogen, war er ein Wärter. Alles stimmte, der schwere Gang, das wichtigtuerische Geklirre mit den Schlüsseln, er schwankte sogar ein wenig, als hätte er zu tief ins Glas geschaut, wie die beiden Idioten, die uns gerade besucht hatten. Er hatte die Wärter tausendmal beobachtet, während der letzten beiden Jahre hatte er nichts anderes

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