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Das Geheimnis des Rosenhauses - Roman

Titel: Das Geheimnis des Rosenhauses - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Annette John
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, das klingt doch sehr nach Haus.« Er schlug sein Buch auf, um das Wort nachzuschlagen. »Häuscher« , murmelte er. » Ha…, häu… , häuscher . Na also, da haben wir es ja schon.«
    Lulu wurde unruhig. Er sollte das nicht tun. Er sollte lesen, nicht sprechen.
    Rafaela wollte das Verfahren abkürzen. »Ich weiß, was häuscher bedeutet«, sagte sie ungeduldig. »Fast alle anderen Wörter verstehe ich ebenfalls. Das Problem ist nur, dass sie zusammengenommen keinen Sinn ergeben.«
    »Ach so ist das«, nickte Ellwin, »die Botschaft in der Botschaft. Dann wollen wir doch mal versuchen, sie zu knacken.«
    Erneut kniff er die Augen zusammen und begann die Worte halblaut vorzulesen. Im Gegensatz zu den Hexenkindern hatte er überhaupt keine Erfahrung mit dieser Sprache. Was er las, klang schrecklich daneben, falsch betont, falsch ausgesprochen und doch … Lulu wurde es heiß vor schrecklicher Ahnung, und plötzlich, wie schon so oft, wusste sie, warum.
    »Nein!«, schrie sie, langte über den Tisch und riss ihrem Vater den Zettel aus der Hand, schleuderte ihn von sich wie ein giftiges Insekt.
    Aber es war zu spät, Ellwin hatte den Text schon fast bis zur Hälfte vorgelesen. Etwas Schreckliches geschah mit ihm, seine Haut schrumpelte, vertrocknete wie die einer Dörrpflaume, seine Haare verschwanden, seine Zähne, seine Knochen krachten und krümmten sich, seine Hände verformten sich zu Klauen! Entsetzt blickte er sich um, wollte etwas sagen, um Hilfe rufen vielleicht, doch kaum ein Wimmern war zu hören. Alles an ihm verformte sich, auch seine Kehle, sein Hals, sein Mund. Und mit ihm verformte sich sein Haus, es ächzte in den Mauern, die Wände verzogen sich, Putz fiel in großen Stücken von der Decke.
    Churro und Damiano saßen starr vor Entsetzen, Wanda schlug die Hände vor die Augen, Lulu sprang mit einem Satz auf den Tisch. »Vagate!« , schrie sie. »Selem de vagate!« Sie tanzte, sie wütete, sie heulte. Rafaela sprang zu ihr hinauf, fiel ein in den schrecklichen Gesang. »Vagate! Selem de Vagate! Verrochen de Vagate!« Immer wieder die gleichen Worte, die gleichen Sprünge, der gleiche Tanz, hinauf und hinunter, um Ellwin herum und zurück. Die hohen Sätze machen ihnen nichts. Sie wurden nicht müde, nicht heiser. »Verrochen!« schrien sie. »Vagate! Selem de vagate!« Sie sprangen in den Kamin, mitten hinein ins Feuer, Asche flog auf, wirbelte durch den Raum, Rafaela fauchte, glitt über den Boden, sprang in weiten Sätzen durch den Raum. Die Lichter verloschen, Lulu breitete die Arme aus, und es war, als ob ein Vogel mit riesigen Schwingen rauschend hereinsegelte. Über den Boden huschte geschmeidig der Schatten einer großen Katze. »Verrochen!« , schrien sie und ihre Stimmen glichen in nichts mehr denen von Mädchen. »Ah, verrochen de vagate! Selem de vagate!«
    Die Flügel verschwanden, der Schatten des Raubtieres auch. Die Mauern beruhigten sich, das Haus stürzte nicht zusammen, Lichter flackerten auf, Stille kehrte zurück. Nur im Obergeschoss wimmerte ein dünnes Stimmchen.
    Langsam, sehr langsam lösten sich die Menschen aus der Starre ihres Entsetzens. Alles war voller Asche und Mörtelstaub. Eine Lampe und ein paar Stühle waren umgestürzt. Damiano erhob sich schwer wie ein alter Mann und schleppte sich aus dem Zimmer, um nach Bumbum zu sehen. Rafaela und Lulu lagen auf dem Boden, völlig erschöpft, zwischen ihnen Ellwin. Irgendwann musste er mitsamt seinem Stuhl umgekippt sein. Lulu kroch zu ihm hin, Rafaela half ihr, ihn halbwegs aufzurichten. Kraftlos ließ er es geschehen. Lulu streichelte sein Gesicht, seine Haare. Sie waren wieder da, die kurzen, schwarzen Haare, die so abstanden wie ihre. Seine Haut war glatt, seine Zähne schimmerten. Zum ersten Mal fiel Lulu auf, dass ihr Vater ein schöner Mann war.
    »Es ist ein Fluch«, schluchzte sie und schmiegte ihr Gesicht in seine Hände. »Der Spruch ist ein Fluch!«
    Seine Hände! Die linke Hand war gut, aber die rechte war eine Klaue, verdorrt, verkrüppelt, eine nutzlose Klaue. Wie sollte er damit je wieder schreiben? Er war doch ein Gelehrter!
    Ellwin hielt sich die verdorrte Hand vor die Augen, versuchte vergeblich, sie zu bewegen. Er zog den Ärmel seiner Jacke darüber. In seinen Augen stand Ratlosigkeit.
    »Tut mir leid«, schluchzte Lulu und barg ihr Gesicht an Ellwins Brust. »Besser haben wir es nicht hingekriegt. Wir können das eigentlich gar nicht.« Er streichelte sie mit seiner gesunden Hand. Seine Augen suchten die

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