Das Geheimnis des Scriptors
loswird! Erzähl mir den Rest dieser Katastrophe.«
»Parvus hat es nicht auf die richtige Fähre geschafft, weil so ein Gedränge war, und so wurde er auf die rusticelische gequetscht.« Nur ein Ruderboot für Passagiere. »Aber er setzte zur gleichen Zeit über, mehr oder weniger parallel. Er konnte sehen, was passierte. Die Bande rammte die Lucullus-Fähre, sprang an Bord und schnappte sich sämtliche Geldbörsen – von allen Passagieren. Rubella meint, die anderen wären nur ausgeraubt worden, um es realistisch aussehen zu lassen …«
»Er ist der Meinung, die Anweisungen für die Pflaumenblüte wären nur erfolgt, um die Scriptoren auf den Fluss zu bringen?«, knurrte Petro. »Dass das Geld von vornherein so abgeholt werden sollte? Und den Scriptoren wurde ihre Geldkiste in dem Gedränge entwendet?«
»Wurde ihnen entrissen und auf den Schlepper befördert, bevor man blinzeln konnte.«
»Und wo war Rubella, als diese idyllische Szene stattfand?«
»Auf unserem Schiff. Sprang auf und ab und spuckte Feuer. Brüllte die Ruderer an, ihn näher ranzubringen, aber ehrlich gesagt, keiner der Jungs kann gut steuern.« Jedes Mal, wenn eine Vigiles-Abordnung nach Ostia kam, musste sie lernen, mit einem Boot umzugehen. In Rom brauchten sie keins, da gab es Brücken.
»Und wo ist Rubella jetzt?«
»Ostia. Tröstet die Scriptoren und erklärt ihnen, sie seien nur Opfer einer Finte geworden.«
Petronius fuhr sich durch die Haare und musste die Sache erst mal verdauen. Immer um die Sicherheit der Männer besorgt, fragte er in gemäßigterem Ton: »Hat jemand sich zu wehren versucht? Gab es Verletzte?«
»Parvus. Er ist ins Wasser gesprungen und zu der anderen Fähre hinübergeschwommen. Es gelang ihm, an Bord zu kommen. Er ist ein verrückter Kerl, hat einem von der Bande ein Ruder übergezogen, ihm fast den Schädel gespalten …« Als Feuerwehrmänner sind die Vigiles eine unbewaffnete Truppe. Sie können eine Menge mit Fäusten und Füßen anrichten, oder sie improvisieren. »Doch dann hat jemand Parvus einen Tiefschlag versetzt, und er fiel über Bord.«
»Geht es ihm gut?«
»Er ist untergegangen. Rubella und ein paar von den Jungs sprangen ihm nach. Wir haben ihn aufgefischt, aber das hat uns aufgehalten. Inzwischen war die Bande wieder auf dem Schlepper und lachte uns aus, während sie wie der Blitz stromabwärts ruderte. Wir versuchten ihnen zu folgen, doch die Fähren kamen uns in den Weg.«
»Absichtlich?«
»Na ja, da herrschte Chaos. Die Strömung trieb Boote in alle Richtungen. Die Diebe schienen sich damit auszukennen, aber es gab mehrere Kollisionen. Ich dachte, wir würden sinken. Den Schlepper haben wir bald danach gefunden. Sie haben beim Isis-Heiligtum angelegt. Jetzt sind sie spurlos verschwunden, und natürlich hat niemand etwas Verdächtiges gesehen, als sie dort landeten, oder behauptet das zumindest.« Der Mann verstummte mit schuldbewusstem Blick. Nach einem Moment klopfte Petro dem Vigile auf die Schulter, um ihm zu zeigen, dass er es ihm nicht übelnahm. Dann winkte er Fusculus herbei (der zwar zugehört hatte, aber aus sicherer Entfernung). Sie sammelten ihre Truppe um sich und machten sich auf, die Pflaumenblüte zu durchsuchen.
»Nehmt diese Bude auseinander!«, befahl Petronius. Manchmal zeigte er größeren Respekt vor Menschen und Besitz. Aber er musste seinen Gefühlen irgendwie Luft machen.
XLVII
P etro und ich waren nicht zum ersten Mal in einem Bordell – natürlich immer aus beruflichen Gründen. Wir hatten einmal unser Leben und unseren Ruf im größten Liebesnest riskiert, das Rom zu bieten hatte, auf der vergeblichen Suche nach dem Gangster-Schwiegervater von Petros Schreckgespenst Florius. Im Vergleich dazu war die Pflaumenblüte winzig und ihre Dienste auf das Wesentliche beschränkt, obwohl sie wie alle Hafen-Etablissements ihre eigene salzige Tönung hatte. Kleine Zellen auf zwei Stockwerken boten kaum mehr als harte, schmale Betten. Die luxuriösen verfügten über einen Kleiderhaken draußen auf dem Flur. Die Kaisersuite rühmte sich eines Schranks, in dem ein Nachttopf stand.
Wenngleich das Haus vom Kai aus verlassen gewirkt hatte, quollen aus dem Innern, als wir mit angriffslustigen Vigiles-Begrüßungen durch die Vordertür stürmten, eine ganze Menge anrüchiger Insassen hervor. Belemmerte Matrosen kamen aus allen Ecken, viele mit Seesäcken in der Hand. Offenbar benutzten sie das Bordell als billige Absteige. Bei den Mädchen war so ziemlich alles
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