Das Geheimnis des Scriptors
blütenreiner Weste davongekommen (er hatte sich durch Bestechung aus der Anklage rausgewunden). Wir vermieden jede Erwähnung von Famia, der mit Maia verheiratet gewesen war, bis er vor zwei Jahren starb. Ich konnte mich nicht erinnern, ob Petronius je von Famias größtem Augenblick gehört hatte. Der wurde geheim gehalten, um den Kindern die Schande zu ersparen. Famia war in Leptis Magna in die Arena geschickt und von einem Löwen verspeist worden.
Famia war ein Trunkenbold mit loser Zunge gewesen, wodurch er sein Schicksal besiegelt hatte. Aber er hatte nicht den Sumpf an Dreck, Falschheit, Gestank und Faulenzerei erreicht, die sich bei dem zahnlosen Bootsmann Lollius, dem Vater meiner Lieblingsneffen Larius und Gaius, zu einer abscheulichen Brühe vermischten. Sobald wir seinen Namen aussprachen, hatte Lollius haushoch gewonnen.
Die Zeit verging.
Um uns herum war der Hafen zum Leben erwacht. Die wenigen frühen Stauer, die anscheinend aus eigenem Antrieb arbeiteten, waren jetzt durch organisierte Mannschaften verstärkt worden. Singend und scherzend machten sie sich an komplizierte Manöver, wozu oft lange Perioden der Untätigkeit gehörten, in denen die Männer am Rand des Kais standen und besprachen, wie sie die Sache in Angriff nehmen wollten. Bei anderem schien es keine Probleme zu geben, und sie machten sich mit geübter Sicherheit ans Werk. Dann wurden Säcke und Tonnen in großer Anzahl an Land oder an Bord gehievt. In gleichmäßigem Abstand auf der Mole verteilt, traten Kräne in Aktion und beförderten Waren aus tiefen Laderäumen herauf. Für gewöhnlich gab es einen einsamen Kranführer, der mit unsichtbaren Genossen auf den Schiffen arbeitete, ohne sich mit ihnen abzusprechen. Wenn eine Ladung verrutschte, musste der Kranführer hinabsteigen und die Sache allein in Ordnung bringen. Wenn er Glück hatte, kam eine Möwe zum Zuschauen.
Lastenträger schleppten Ladungen von einem dicht am nächsten festgemachten Schiff zum anderen, manchmal zu mehreren, benutzten Fallreepe als Brücken, während sie Amphoren mit Wein oder Oliven hinüberhievten oder Säcke und Ballen von Hand zu Hand warfen. Unhandliches lieferte uns jede Menge Erheiterung. Eine ganze Reihe spanischer Pferde musste ein Fallreep hinuntergelockt werden. Sie staksten gefährlich darauf herum, selbst als jemand vorschlug, ihnen die Augen zu verbinden. Taucher wurden zu Wasser gelassen, um an einer bestimmten Stelle des Kais nach Waren zu suchen, die am Tag zuvor ins Hafenbecken gefallen waren.
Wir waren den halben Morgen dort, aber die Taucher hatten das Gesuchte immer noch nicht gefunden. Wir erfuhren nie, was es war. Petro schlenderte hinüber, um sich mit ihrem Aufseher anzufreunden, da ein Kontakt zu den Tauchern für die Vigiles von Nutzen sein konnte.
Ein weiterer Fußsoldat kam mit nervösem Blick von der Isola. Er näherte sich zunächst Fusculus, bemerkte dann Petronius, der ihn entdeckt hatte und zur Caupona zurückgeeilt kam.
»Tut mir leid, Chef, schlechte Nachrichten. Die Scriptoren kommen doch nicht.«
Petronius verschob seinen Weinbecher auf dem Tresen. Die sanfte Bewegung war trügerisch, und der verängstigte Bote wusste das. »Raus damit.«
»War alles ein abgekartetes Spiel.« Nervös wegen Petro, sprudelte der Ex-Sklave die Geschichte hervor. »Sie sind wie geplant aufgebrochen, kamen bis zur Fähre, wo ihnen das Geld geklaut wurde, als sie auf dem Boot waren.«
Petronius ließ sich jetzt seine Wut anmerken. »Das ist doch nicht zu fassen! Wie wurde die Sache ausgekocht?«
»Die Fähre wurde von einem anderen Boot angegriffen.«
»Was?«
»Ja, Chef. Die Bande hatte einen Schlepper gekapert. Waren zu viert oder zu fünft. Die beiden Scriptoren waren auf einer der großen Lucullus-Fähren …« Vier verschiedene Fährbetriebe verkehrten täglich auf dem Tiber. Die Fähren der Lucullus-Linie waren mit Mehrfachrudern ausgestattet und beförderten sowohl Passagiere als auch Schwergut. Es waren große, unhandliche Fahrzeuge.
»Und wo wart ihr alle?«, fragte Petro kalt. »Ich hab euch doch angewiesen, die Scriptoren nicht aus den Augen zu lassen.«
»Die meisten von uns waren auf einem der Vigiles-Schiffe. Parvus sollte bei ihnen auf der Fähre bleiben. Rubella sagte, nur ein Mann solle so dicht bei ihnen sein, falls sie Verdacht schöpfen würden.«
»Rubella!« Petronius kam dem Siedepunkt immer näher.
»Wenn ein Tribun bei einem Einsatz mitkommen will, Chef …«
»Dann sieht man zu, dass man ihn
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