Das Geheimnis des Scriptors
ihm zu, damit aufzuhören. Er hackte das andere Tau durch. Ich fiel.
Ich hatte gerade noch Zeit, mir Hoffnung zu machen, dass ein vorbeikommender Delphin, der gern mit römischen Jungs spielte, heranschwamm und mein Leben rettete.
Dann nahm ich einen letzten Atemzug, fuchtelte wie wild zwischen den verhedderten Leitersprossen herum und sank unter die tiefen kalten Wellen.
LII
F all nicht ins Wasser …
Beinahe seit unserer ersten Begegnung wusste Helena, dass ich nicht schwimmen konnte. Einst hatte sie mich vor einem Fall in den Fluss Rhodanus gerettet, wonach es für sie zu einer persönlichen Mission wurde, mich vor dem Ertrinken zu bewahren. Sie hatte mir beizubringen versucht, wie man sich über Wasser hält. Halt die Luft an und leg dich einfach auf den Rücken, das Wasser wird dich tragen. Hab Vertrauen, Marcus …
Ich ging unter. Ich kam wieder hoch. Ich hielt die Luft an und schaute zum Himmel hinauf. Wasser rauschte über mein Gesicht, und ich versank sofort wieder.
Die Leitersprossen hielten mich gefangen. Ich wurde von ihrem Gewicht unter Wasser gezogen. Dumm, wie ich war, klammerte ich mich immer noch daran fest. Ich ließ los und versuchte mich freizustrampeln. Beinahe wurde ich von Entsetzen überwältigt. Ich enthedderte mich. Plötzlich leichter geworden, wusste ich, dass ich frei war. Gerat nicht in Panik, halt einfach still …
Ich stieg auf und durchbrach die Oberfläche. Warme Sonne schien mir ins Gesicht. Hustend und spuckend versank ich fast wieder. Leg dich auf den Rücken, Marcus, dir wird nichts passieren … Ich hielt still. Ich holte Luft und versank nicht.
Prima. Vielen Dank, junge Frau.
Das illyrische Schiff segelte auf der Küstenströmung rasch nach Norden davon. Die Uferlinie war so weit entfernt, dass sie praktisch nicht auszumachen war. Ich war geschlagen und gequält und dann ins Meer geworfen worden. Ich driftete, aber als ich mich zu bewegen versuchte, schluckte ich Wasser. Ich wusste, dass ich nur allzu bald unterkühlt und erschöpft sein würde. Mir war schlecht. Gleich würde ich Krämpfe bekommen. Da waren keine freundlichen Delphine, die mich retten wollten, doch ich wusste, dass es Haie gab. Neptun und Amphitrite hätten mich vielleicht zum Essen eingeladen, aber sie mussten sich wohl mit ihren Hippokampen irgendwo anders in ihrem salzigen Reich vergnügen.
Niemand wusste, dass ich Portus überhaupt verlassen hatte. Und hier war ich nun, ganz allein mitten im Tyrrhenischen Meer.
Voller Verzweiflung versuchte ich mich in Landrichtung zu drehen. Dann entdeckte ich einen Fischkutter.
Der kleine Kutter lag reglos mit aufgerolltem Segel da, nicht zu weit von mir entfernt. Niemand war zu sehen. Ich rief um Hilfe, ohne Erfolg. Langsam versuchte ich zu paddeln und schaffte es endlich mit viel Anstrengung, längsseits des auf und ab hüpfenden Kutters zu kommen. Es war zu früh, stolz auf mich zu sein. Als ich rief und mich bemerkbar machte, reagierte endlich jemand. Er war sehr ungehalten, mich zu sehen. Ja, als ich ein Tau zu packen versuchte und um Hilfe bat, an Bord zu kommen, richtete er sich abrupt über mir auf. Entsetzt sah ich, wie er ein Ruder hob, kurz davor, es mir auf den Kopf zu knallen, und mit der eindeutigen Absicht, mich zu töten.
Ich stieß mich von dem verdammten Kutter ab. Ich hätte den Mann verflucht, aber dazu war keine Zeit, und ich ging wieder unter. Der Mann, den ich gesehen hatte, war breit, stämmig, um die sechzig und hatte ungebärdige graue Locken. Obwohl ich durch das Wasser in meinen Augen nur einen verschwommenen Umriss wahrgenommen hatte, kannte ich den Mann. Ich versuchte seinen Namen zu rufen, schluckte aber stattdessen eine ordentliche Portion Meerwasser.
Es war zu spät. Ich ertrank.
Dann prallte ich gegen etwas, das mir fast das Ohr abriss, und hörte jemanden brüllen: »Pack doch das verdammte Ruder!« Wonach diese vertraute Stimme gereizt sagte: »Ich habe einen Idioten in die Welt gesetzt.«
Also packte ich das Ruder und keuchte mit meinem üblichen kindlichen Respekt: »Halt die Klappe und zieh mich raus, bevor ich sterbe, Papa.«
LIII
N ett von dir, Marcus, mal vorbeizuschauen. Wieso planschst du hier ganz allein und halbtot rum?«
Halbtot stimmte. Ich lag barfuß auf dem Boden seines Kutters, total zusammengebrochen. Ich konnte Geminus noch nicht mal für seine Begrüßung danken. Jemand schlug mir zwischen die Schulterblätter. Ich kotzte eine Menge Meerwasser aus.
»Oh, ihr Götter, bei diesem Jungen ändert
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