Das Geheimnis des Scriptors
sich doch nie was. So war der schon mit drei Monaten. Oje, jetzt geht’s schon wieder los! Fass mal mit an, damit er beim nächsten Mal über die Bordwand spuckt …«
Im Boot war noch jemand.
Mit viel Konzentration und der Hilfe anderer gelang es mir, so weit hochzukommen, dass ich, wie verlangt, über die Reling kotzen konnte. Meine Anstrengung wurde mit Applaus belohnt. Ich lag mit dem Gesicht auf der Reling und zitterte unkontrollierbar. »Bring mich nach Hause, Papa.«
»Machen wir, mein Sohn.«
Nichts geschah. Der Fischkutter dümpelte weiterhin sanft auf der Stelle. Ich merkte, dass sich Papa Zeit ließ, völlig unbesorgt. Schließlich gelang es mir, den Kopf so weit zu drehen, dass ich seinen Begleiter sehen konnte – Gornia, Papas Lagerhelfer. Neben ihm war mein Gürtel um eine Spiere geschlungen, und meine Stiefel waren zum Trocknen auf Ruderdollen gesteckt. Papa und Gornia trugen Kappen. Sie hatten ein winziges Stück Sackleinwand drapiert, damit ich Schatten bekam. Die Augustsonne glitzerte auf dem Wasser, ihr Licht unerbittlich und grell.
Ich konnte mich nicht mit der Hauptfrage auseinandersetzen, warum mein Vater zufällig auf dem Tyrrhenischen Meer herumschipperte. Daher fragte ich mich lieber, warum Gornia, der doch das Lagerhaus in den Saepta Julia in Rom bewachen sollte, stattdessen mit meinem Vater in demselben lächerlichen Boot saß. Die Antwort entzog sich mir. Gornia, ein kleiner alter Kerl, der seit Jahren bei meinem Vater arbeitete, saß einfach nur da und grinste mich fast zahnlos an. Ich bemühte mich gar nicht erst, mich an ihn zu wenden. Er überließ Papa immer die Führung im Gespräch, und Papa war ein Meister darin, einem wichtige Fakten vorzuenthalten. Gornia hätte in einem seriösen Unternehmen arbeiten können, wo die Bezahlung genauso kärglich und die Arbeitszeit genauso lang sein würde, aber er vermittelte den seltsamen Eindruck, dass er den Nervenkitzel in Geminus’ Mysterienhöhle genoss.
»Bring mich nach Hause, bitte, Papa!«
»Alles zu seiner Zeit, Junge.«
Nichts hatte sich verändert. Ich hätte wieder fünf Jahre alt sein können, übermüdet und vollgestopft mit in Honig eingelegten Datteln, bei irgendeinem langatmigen Auktionatorentreffen, zu dem Papa mich hatte mitschleppen müssen, damit meine Mutter mich mal für ein paar Stunden los war.
Da ich selbst zwei kleine Kinder hatte, wusste ich nur zu genau, was ich antworten musste. »Ich will jetzt nach Hause!«
»Noch nicht, mein Sohn.«
Ich gab es auf. Vielleicht war ich ja tatsächlich ertrunken, und das hier war ein Alptraum im Hades. »Papa, wäre es zu viel verlangt, mir zu sagen, was du hier eigentlich machst?«
»Nur eine ruhige Angelpartie, Marcus.«
»Haie?«, knurrte ich in Gedanken an Onkel Fulvius. Ich sah ein paar Schnüre über der Bordwand baumeln, denen jedoch weder Papa noch Gornia irgendwelche Aufmerksamkeit schenkten. Ich konnte mich nicht erinnern, dass mein Vater zuvor jemals angeln gegangen war. Er hielt sich lieber an geröstetes Schwein. Oder, wie wir gerne witzelten, gerösteten Pfau, sollte es ihm je gelingen, sich zu einem Festmahl einzumogeln, bei dem der Gastgeber Schnorrern solche luxuriösen Köstlichkeiten servierte. Da nichts geschehen würde, bevor mein nerviger Altvorderer dazu bereit war, rappelte ich mich so weit auf, dass ich aus meiner nassen Tunika schlüpfen konnte. Gornia breitete sie freundlicherweise zum Trocknen aus.
Papa gab mir eine Flasche mit Wasser. Nach ein paar vorsichtigen Schlucken hatte ich mich genug erholt, um ihn zu fragen, ob er wisse, wo genau Fulvius im Exil gewesen war, nachdem er das Schiff nach Pessinus verpasst hatte.
Papa schaute mich erstaunt an, antwortete aber: »In irgendeinem Kuhkaff namens Salonae.«
»Wo ist das?« Papa zuckte mit den Schultern. »Liegt das in Illyrien?«
»Tja …« Er hatte es die ganze Zeit gewusst. »Ich glaube, es liegt weiter im Norden.«
Ich glaubte ihm nicht. »Nicht Dyrrhachium?«
»Ich hab dir doch gesagt, Salonae.«
»Was hat Fulvius da gemacht?«
»Bisschen von diesem, bisschen von jenem.«
»Wind dich da nicht raus. Die Sache könnte ernst sein.« Ich trank noch ein wenig Wasser. »Bisschen von was, Papa?«
»Wieso ernst?«
»Onkel Fulvius könnte demnächst verhaftet werden.«
»Weswegen?« Papa schien alarmiert zu sein.
»Piraterie.«
»Du machst wohl Witze, Junge!«
»Nein. Was hat er in Illyrien gemacht, weißt du das?«
»Nur gekauft und verkauft.« Das würde Fulvius für
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