Das Geheimnis des Scriptors
seine Kumpel gegen ihn aufgebracht haben. Durch diesen Alleingang hatte er sich zum Verdammten gemacht. Theopompus hatte sein eigenes Todesurteil unterschrieben.
Ich hatte befürchtet, Rhodope könnte als gefährlich angesehen werden, als ich sie Damagoras gegenüber erwähnte. Aber zu dem Zeitpunkt hatte ich Theopompus für einen Kilikier gehalten, der für Lygon arbeitete und von der Gruppe getötet wurde, die Cratidas anführte. Vermutlich hatte mein Gespräch mit Damagoras nichts mit dem Durchbrennen und dem Grund für Theopompus’ Ermordung zu tun. Die Illyrier hatten möglicherweise nie von meinem Besuch bei Damagoras gehört. Sie führten ihre eigene Rache durch.
Oder vielleicht hatte es bereits Verstimmungen zwischen den Kilikiern und den Illyriern gegeben. Ich hatte den Kilikiern Munition geliefert. Sie beschwerten sich über Theopompus bei seinen eigenen Leuten, woraufhin die Illyrier zum Handeln gezwungen waren.
So oder so, die Feindseligkeiten begannen zu schwelen, und die Illyrier stahlen später die Geldkiste der Scriptoren – obwohl es wahrscheinlicher war, dass die Kilikier die Lösegeldforderung für Diocles geschickt hatten. Vielleicht hatte sich Cotys geärgert, weil er nicht über den Plan informiert worden war. Beide Seiten betrachteten die andere jetzt als treulos, und alles nur wegen meines vermissten Scriptors.
Ich überlegte, wie er das wohl alles aufnehmen würde. Ich hatte immer geglaubt, Diocles würde es genießen, Zoff in Aktion zu sehen, und nichts dagegen haben, selbst welchen zu verursachen.
Nichts davon brachte mich seinem Auffinden näher.
In der unbeleuchteten Kammer wurde es heißer. Die Luft war bereits stickig. Diese Grabmäler waren solide gebaut, das hatte ich schon vorher festgestellt. Sie waren nicht dazu gedacht, lebende Wesen bei geschlossener Tür aufzunehmen. Atmen war darin nicht vorgesehen.
Ich hatte mich mit dem Rücken an der Tür niedergelassen. Jetzt versuchte ich sie zu bewegen. Sie war fest verkeilt. An Petro gewandt bemerkte ich, dass Türen von Grabmälern nicht dazu gedacht seien, von innen geöffnet zu werden.
»Ich habe Angst.« Das kam von Rhodope.
»Wir sind bestimmt alle ein bisschen nervös.« Helena war sich der Gefahr bewusst, dass die Mädchen hysterisch wurden. Ich war selbst ein wenig angespannt. »Zumindest sind wir alle zusammen. Lucius, wird jemand kommen und uns rauslassen?«
»Mach dir keine Sorgen.«
»Nein, natürlich nicht. Du wirst uns alle in Sicherheit bringen.« Nur jemandem, der Helena gut kannte, wäre der leichte Sarkasmus in ihrer Stimme aufgefallen. Da sie niemand war, die lange bei einer Situation verweilte, über die sie keine Kontrolle hatte, sagte sie dann: »Also, Rhodope, ich hoffe, du hast jetzt die Wahrheit erkannt. Theopompus war bis über beide Ohren in dich verliebt, aber seine Leute haben andere Ansichten. Du kannst nicht mit ihnen gehen und bei ihnen leben.«
»Aber ich habe es ihnen versprochen!«
»Vergiss es«, wies ich sie sanft an. Ich hörte, wie Albia über Rhodopes Mangel an Logik mit den Zähnen knirschte.
»Unter Zwang gegebene Versprechen haben keine Gültigkeit«, versicherte Petronius Rhodope ernst.
»Mir blieb keine andere Wahl.«
»Du warst gefesselt – durch Liebe.« Er hatte eine zehnjährige Tochter. Er war ein guter Vater, er wusste, wie man in aufrichtigem Ton lügt, wenn es das Beste für ein junges Mädchen ist.
»Ist es nicht an der Zeit, Rhodope, dass du uns erzählst, was damals nach deiner Entführung passiert ist?«, fragte Helena.
Es brauchte noch ein wenig Überredung. Aber mit Helenas ruhigem Druck und geschützt durch die Dunkelheit, gab Rhodope schließlich nach. Sie erzählte uns, wie sie auf dem Kai von Portus geschnappt worden war, in Windeseile von einer aus Männern und Frauen bestehenden Gruppe weggeführt und dann nach Ostia gebracht wurde. Sie hatten den Fluss überquert, aber nicht auf einer Fähre, sondern in einem eigenen kleinen Boot. Ein Umhang wurde um sie gelegt, damit ihr Gesicht vor anderen verborgen blieb und sie nicht sehen konnte, wohin man sie brachte. Sie führten sie ziemlich weit vom Fluss weg, wie sie sich zu erinnern meinte.
»Glaubst du, dass du betäubt wurdest, während sie dich in Gewahrsam hatten?«
»Nein.«
»Bestimmt nicht, Rhodope?«
»Nein. Die Illyrier betäuben die Leute nicht.« Das Mädchen klang zögerlich, es wusste, dass es Geheimnisse verriet. Ihrer Fakten war sich Rhodope jedoch sicher. »Theopompus hat mir erklärt,
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