Das Geheimnis des Scriptors
Gruppen und Nationalitäten. »Einigten uns auf ein Abkommen mit den Pamphyliern – Korakesiern (Melanthos). Mannschaften übernommen, aber die werden nicht bleiben … Vor Akroterion auf die Fideliter und die Psyche getroffen. Rinder und Sklaven; Melanthos hat die Rinder genommen; er wird das Abkommen nicht einhalten … Meras von Antiphellos und seine Lykier haben sich uns angeschlossen. Meras hat uns wieder verlassen, nachdem wir uns nicht über die Häute einigen konnten … Vor Xanthos. Gute Ausbeute, wenn das Wetter hält, aber den Lykiern gefällt unsere Anwesenheit nicht. Trafen auf ein großes Handelsschiff vor Sidon, aber Marion kam dazu, als wir mitten dabei waren, und wir mussten ihn verjagen. Folgten später der Europa aus Thera, aber kein Glück; Melanthos hat sie sich geschnappt … Boten an, uns mit den Illyriern zu vereinen, aber die sind unzuverlässig und zu gewalttätig …«
»Zu gewalttätig?« Das war ja wohl der reinste Hohn. Nachdem er seinen Opfern alle Wertgegenstände abgenommen hatte, zögerte der Verfasser nie, sie zum Ertrinken über Bord zu werfen. Er machte nur Gefangene, wenn sie sich als Sklaven eigneten. Ansonsten vernichtete er Zeugen. Er und seine Seeleute lebten für den Kampf. Wenn sie die Leute nicht mit dem Schwert erschlugen, erdrosselten sie sie. Helena hatte mehrfache Erwähnungen von Verletzungen während der Plünderungen gefunden, von verlorenen Gliedmaßen auf beiden Seiten, häufige Berichte über Verstümmelungen und rücksichtsloses Abschlachten. Manchmal gingen sie an Land, um Beute zu finden, einmal raubten sie einen Schrein aus.
»Ich habe nach Erwähnungen von Illyriern gesucht«, sagte Helena. »Die einzige ist die über die Unzuverlässigkeit und Gewalttätigkeit der Illyrier. Aber angenommen, der Verfasser ist Kilikier, ging er von Zeit zu Zeit Partnerschaften ein und legte Treueschwüre gegenüber denjenigen ab, mit denen er erst vor kurzem Gefechte hatte oder die er der Untreue bezichtigt hat.«
»Könnte ›der Illyrier‹, den wir kennen, vielleicht nur ein Spitzname sein?«
»Das nehme ich fast an, Marcus. Doch es muss eine Verbindung zur Herkunft des Vermittlers geben.«
»Nun«, sagte Helena und griff nach einem kleinen Stapel, den sie sich zur Seite gelegt hatte, »zum interessanten Teil. Ich werde dir erzählen, was Diocles meiner Meinung nach getan hat.«
»Diese anderen Tafeln enthalten seine eigenen Notizen?«
»Ja. Die Handschrift und die Anordnung stimmen mit den Notizen überein, die wir in seinem Zimmer gefunden haben. In diesen«, fuhr sie in ruhigem Ton und ohne Dramatik fort, »hat der Scriptor die alten Logbücher zusammengefasst. Man könnte es einen Entwurf für ein geplantes neues Werk nennen …«
»Meinst du damit, Damagoras hat mir die Wahrheit gesagt, dass Diocles ihm wirklich dabei helfen wollte, die Memoiren zusammenzustellen?«
»Ganz ohne Zweifel.« Helena spitzte die Lippen. »Aber das stempelt Damagoras zum Lügner. Er hat zu dir gesagt, dass er nur zwei kurze Gespräche mit Diocles hatte, nach denen der Scriptor beschloss, nicht weiterzumachen. Doch um all diese Notizen aufzuschreiben, müssen die beiden zusammen sehr ins Detail gegangen sein.«
»Ich hatte mich schon gewundert, dass der Scriptor Rusticus, dem Anwerber der Vigiles, eine Adresse auf dem Land genannt hatte, nicht die Pension an der Porta Marina.«
»Ja.« Helena dachte genau wie ich. »Diocles hat vermutlich eine Weile in der Villa gewohnt. In der Zeit hat er die Notizen zusammengestellt. Daher hat Damagoras gelogen, was die Enge ihrer Beziehung betraf. Aber hauptsächlich hat er auf einem anderen Gebiet gelogen – und er hat dich nach Strich und Faden belogen, Marcus. Wenn diese Schiffslogbücher das sind, was Diocles als Rohmaterial für die Memoiren benutzt hat, dann gibt es keinen Zweifel, überhaupt keinen Zweifel daran, womit Damagoras seinen Lebensunterhalt verdient hat. Der Kapitän, der diese alten Berichte verfasste, war ein Pirat.«
Ich nickte. »Und ich sag dir noch etwas, Liebste, ich glaube nicht an seine tugendhafte Beteuerung, er habe sich schon vor langem zur Ruhe gesetzt. Er war ein Pirat, und ich schätze, er ist immer noch einer.«
Am nächsten Morgen begann ich die Notiztafeln selber durchzulesen. Ich nahm sie mit hinunter auf den Hof und setzte mich auf eine sonnenbeschienene Bank, mit Nux schlafend neben mir und den Kindern in meiner Nähe. Von Zeit zu Zeit musste ich unterbrechen, weil Julia Junilla Kaufladen
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