Das Geheimnis des Spiegelmachers (German Edition)
seinen Füßen.
Carmen stand vor ihm und starrte ihn an.
»Bist du allein?« Sie trat neben ihn und spähte in die Dunkelheit. Ihre hohe Stirn kräuselte sich besorgt.
Nik zögerte. Welche Rolle konnte es für die Frau des Stadtregenten spielen, wie viele von ihnen gekommen waren, um den Spiegel zu stehlen?
Doch Luuk, Ellie und Benthe waren aus der Dunkelheit in den kleinen Lichtkreis der Kerze neben ihn getreten. Carmen zuckte zurück, als sie plötzlich vor ihr standen.
Ohne ein weiteres Wort winkte sie die vier in die Werkstatt hinein und sie traten nacheinander durch die Tür. Die Spiegel an den Wänden warfen den Kerzenschein geisterhaft flackernd zurück und bei jeder von Carmens Bewegungen flackerte das Licht über die Wände. Nik wusste nicht, wo er hinsehen sollte, überall im Raum schien Bewegung zu sein.
Er hörte die Tür hinter sich zuklappen und einen Riegel einrasten und fuhr herum. Carmen tauchte unter Luuks Arm hindurch und rannte zur Treppe.
Nik folgte ihr und prallte gegen die knöcherne Brust des Spiegelmachers, der aus einer dunklen Ecke getreten war. Heinrich schlang seinen Arm blitzschnell um Benthes Hals und hielt ihr ein langes Messer an die Kehle.
Benthe schluchzte auf und ihre müden Augen weiteten sich angsterfüllt.
Luuk trat mit erhobenen Fäusten auf Heinrich zu und Ellies langes Messer blitzte im Kerzenschein. Nik konnte sich nicht bewegen, er starrte nur auf Benthes Gesicht und sah, wie Blut unter dem Messer ihren weißen Hals hinablief.
»Nein«, schrie er und Luuk und Ellie erstarrten. Er deutete auf Benthes Hals. Die beiden ließen die Arme sinken.
Heinrich lächelte kalt. »Ich danke dir, mein Junge«, sagte er leise.
Nik spürte, wie Übelkeit in ihm aufstieg. Er wollte den Spiegelmacher schütteln, ihn anbrüllen und ihm mit dem Fuß ins Gesicht treten. Stattdessen ballte er die Hände zu Fäusten und wartete stumm.
»Was …?« Luuk deutete auf die Treppe, auf der Carmen de Witt verschwunden war. Nik fuhr herum. Sechs Gestalten schritten lautlos die Stufen herunter. Sie hatten ihre Kapuzen tief in die Stirn gezogen. Nik sah ein paar schmale Lippen, die Nasen waren kaum noch zu erkennen. Die Männer stellten sich hinter den Kindern auf und umklammerten ihre Oberarme. Luuk wehrte sich, sein Wächter taumelte zurück und ein weiterer kam ihm zu Hilfe. Noch einmal schlug Luuk mit den Fäusten um sich, bis zwei von den vermummten Gestalten ihn auf die Knie zwangen. Ellie riss sich los und stach mit dem Messer in alle Richtungen.
Benthe schrie auf. Dicke Tropfen Blut liefen über ihren Hals. Nik hörte, wie Ellies Messer scheppernd auf den steinernen Boden aufschlug.
Einer der Männer zog Seile aus seinem Umhang und ging von einem zum anderen. Er band erst Ellie, Luuk und Benthe die Hände auf dem Rücken zusammen, dann kam er zu Nik.
Er hatte im Gegensatz zu den anderen keinen Widerstand geleistet und der Griff des Mannes hinter ihm hatte sich gelockert. Nik spürte das Seil an seinen Handgelenken und trat mit aller Kraft nach hinten. Er zog die Arme nach vorn und riss einen der beiden von den Füßen, den anderen stieß er gegen Heinrich. Doch der Spiegelmacher hatte es kommen sehen und drehte sich geschickt zur Seite.
Nik stockte der Atem, als er sah, wie tief sich das Messer erneut in Benthes Hals bohrte. Er riss die Arme in die Höhe und blieb regungslos stehen, bis die Männer auch ihn gefesselt hatten. Dabei hielt er den Blick ängstlich auf Benthes verletzten Hals gerichtet.
Einen Augenblick später kniete er neben den anderen auf dem harten Boden. Seine Arme waren schmerzhaft fest auf den Rücken geschnürt. Die Brüder der Gilde zogen sich in ein Zimmer neben der Treppe zurück und schlossen die Tür hinter sich. Die vier blieben allein in der Werkstatt zurück.
Ellies Augen glänzten feucht, und auch Nik spürte, wie ihm der Schmerz Tränen in die Augen trieb. Wut über seine Hilflosigkeit rollte über ihn hinweg und ließ ein brennendes Gefühl in seinem Bauch zurück. Sie waren immer tiefer in die Machenschaften der Gilde hineingeraten und hatten ihr Leben riskiert, als sie sich auf die Verabredung eingelassen hatten, obwohl sie wussten, wie rücksichtslos die Männer ihre Geheimnisse verteidigten. Sie hätten nicht alle zu diesem Treffen kommen sollen, denn nun war niemand mehr übrig, der ihnen helfen konnte.
Nik wollte vor Zorn über seinen Fehler schreien und den anderen sagen, wie furchtbar leid es ihm tat. Stattdessen biss er sich auf die
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