Das Geheimnis des Spiegelmachers (German Edition)
Himmels zeichnete sich sein quadratisches Türmchen deutlich ab.
»Unglaublich!«, rief Mrs Covenant.
Ihr Mann, der am Steuer saß, lächelte. Er lenkte das Auto durch das schmiedeeiserne Tor und parkte es im Hof.
Seine Frau stieg aus. Der Kies knirschte unter ihren Absätzen. Sie blinzelte, als traue sie ihren Augen nicht.
Das Haus thronte hoch über dem Meer. Von unten war das Tosen der brechenden Wellen zu hören. Die Luft roch salzig, beinahe scharf. In der Ferne konnte man die Häuser von Kilmore Cove sehen. Mrs Covenant starrte mit offenem Mund das Haus an.
»Meine Name ist Nestor«, ertönte plötzlich eine Stimme hinter ihr und sie zuckte erschrocken zusammen. Das Anwesen hatte sie so sehr fasziniert, dass sie niemanden hatte kommen sehen. Jetzt stand ein älterer Mann mit wettergegerbtem Gesicht und einem gepflegten weißen Bart vor ihr.
»Ich bin der Gärtner von Villa Argo«, sagte er und lächelte sie freundlich mit seinen unergründlichen Augen an. Mr Covenant reichte er die Hand.
So heißt es also, dachte Mrs Covenant: Villa Argo. Sie folgte ihrem Mann und dem hinkenden Gärtner in Richtung Haus. »Haben wir uns auch wirklich nicht in der Adresse geirrt?«, fragte sie lächelnd und ließ den Blick an den Mauern der Villa entlangschweifen, als sei sie sich nicht sicher, ob sie echt sind.
Ihr Mann nahm ihre Hand und flüsterte: »Mach dich auf etwas gefasst!«
Von innen wirkte die Villa noch eindrucksvoller als von außen: ein wahres Labyrinth von kleinen Zimmern, eingerichtet mit Möbeln, die aus den verschiedensten Teilen der Welt zu stammen schienen. Alles wirkte perfekt, als ob jeder Gegenstand seinen idealen Platz gefunden hätte. Zum allerersten Mal in ihrem Leben verspürte Mrs Covenant beim Betreten eines Hauses nicht das Bedürfnis, die Möbel umzustellen.
»Sag mir, dass das kein Traum ist«, raunte sie ihrem Mann zu.
Er antwortete nicht, sondern drückte stattdessen ihre Hand.
Es war also wahr: Sie hatten dieses Haus tatsächlich gekauft.
Sie gingen durch einen Säulengang in einen kleinen Salon mit einem Gewölbe. Dieser war aus unverputztem Stein und wirkte sehr elegant und sehr, sehr alt. In die östliche Wand war eine Tür aus dunklem Holz eingelassen.
»Dies ist eines der ältesten Zimmer«, erklärte der Gärtner stolz. »Über tausend Jahre alt. Es stammt aus der Zeit, als hier noch eine Burg stand. Seither wurde in dem Raum kaum etwas verändert. Mister Moore, der ehemalige Besitzer, ließ lediglich die Fenster abdichten und Stromleitungen legen.« Mit einer Handbewegung wies er zu dem Kronleuchter, der tief von der Gewölbemitte herunterhing.
»Jason wird begeistert sein«, sagte Mr Covenant.
»Sie haben zwei Kinder, nicht wahr?«, fragte der Gärtner an Mrs Covenant gewandt.
»Ja, einen Jungen und ein Mädchen, beide elf Jahre alt«, antwortete diese. »Es sind Zwillinge.«
»Und ich nehme an, dass sie intelligent sind, fröhlich und quicklebendig. Und dass sie sich darauf freuen, an einem Ort zu leben, der vom Rest der Welt völlig abgeschnitten ist und an dem es keinen Internetanschluss gibt.«
Mrs Covenant starrte ihn verwundert an. »Na ja, ich denke schon«, erwiderte sie zögernd. »Ich, als Mutter,
sollte das vielleicht nicht sagen, aber ... ja, sie sind sehr selbstständig ...« Sie stellte sich einen Augenblick lang Jason vor, wie er fasziniert auf einen Computermonitor starrte, dann schüttelte sie den Kopf. »Ich glaube, dass sie auch ohne Internet gerne in einem Haus wie diesem leben werden.«
»Hervorragend, wirklich ausgezeichnet!« Der Gärtner nickte. »Wenn der Dame das Haus gefällt, können wir unser Geschäft also als abgeschlossen betrachten.«
Mr Covenant erklärte seiner Frau, Ulysses Moore habe sich gewünscht, dass sein Haus an eine junge Familie mit mindestens zwei Kindern gehe.
»Er wollte, dass das Haus stets von Leben erfüllt ist«, fügte der Gärtner hinzu, der sich anschickte, sie wieder aus dem steinernen Zimmer hinauszuführen. »Er sagte, ein Haus ohne Kinder sei ein totes Haus.«
»Damit hatte er wohl recht«, pflichtete Mrs Covenant ihm bei. Bevor sie den Raum verließ, drehte sie sich noch einmal um und betrachtete die dunkle Holztür, die ihr schon beim Betreten des Raums aufgefallen war. Das Holz war an einigen Stellen versengt und hatte tiefe Kratzer und Kerben. »Was ist mit dieser Tür passiert?«, fragte sie.
Nestor blieb stehen und schüttelte den Kopf. »Ach, wissen Sie«, murmelte er, »tun Sie lieber so, als
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