Das Geheimnis des Spiegelmachers (German Edition)
Schritt zurück. »Arbeitest du für Flambert?«
»Nein.« Nik schüttelte den Kopf. »Ich denke, es sind schon andere krank geworden, nachdem sie Tücher bei Flambert gekauft haben.« Nik schluckte. »Und dann gestorben«, fügte er hinzu.
Der Puppenspieler legte den Kopf auf die Seite und sah Nik nachdenklich an. »Tücher können niemanden töten, wenn keine giftigen Spinnen oder Skorpione darin eingewickelt sind«, stellte er fest.
Nik überlegte. Er hatte keine Erklärung für seinen Verdacht und mit seinem Bauchgefühl konnte er niemanden überzeugen. Nicht einmal sich selbst. Also brauchte er einen Beweis und dazu musste er die Tücher sehen und anfassen. Er musste den geheimnisvollen Händler finden.
»Wo vertreibt Flambert seine Stoffe?«, fragte Nik.
Der Puppenspieler schüttelte den Kopf. »Flambert ist Tuchmacher. Ich war in seiner Werkstatt, um Stoff für den Winter zu kaufen. Aber sie war leer. Auf der Straße wurde viel erzählt. Er ist wohl im Sommer eines Nachts verschwunden. Keiner weiß, wohin. Er hatte oft Streit mit den Webern und Färbern.« Der Puppenspieler hob gleichgültig die Schultern. »Jetzt ist die Werkstatt leer. Nachdem er sie verlassen hatte, wurde sie in den darauffolgenden Nächten geplündert. Jetzt sind dort nur noch ein paar Ratten und ein Haufen Stroh. Sonst nichts.«
Er öffnete die Kiste wieder und nahm die beiden oberen Puppen heraus. Leise flüsterte er ihnen etwas ins Ohr und dann klingelte er mit einer faustgroßen Glocke.
Als sich ein Dutzend Menschen vor der Kiste versammelt hatte, begann das Spiel. Nik sah noch eine Weile zu und bestaunte die Bewegungen und die Anmut der Puppen. Doch das Stück fesselte ihn nicht, und er hatte kalte Füße, nachdem er so lange still auf dem Eis gestanden hatte.
Nik beschloss, sich einen Krug würzigen Weines zu kaufen, um sich aufzuwärmen, und drehte sich um. Nur wenige Schritte hinter ihm stand das Mädchen mit den roten Haaren und beobachtete ihn mit zusammengekniffenen Augen.
Als er sie entdeckte, drehte sie sich um und rannte davon. Nach wenigen Schritten war sie in der bunten Menge verschwunden. Der Gesang der Betrunkenen wurde lauter und das Gemurmel in den Zelten und an den Ständen schwoll zu unverständlichem Gerede in unzähligen Dialekten und Mundarten an. Die Wangen der Menschen, die an Nik vorbeidrängelten, glänzten rot im Licht der Fackeln, und Nik dachte an das geheimnisvolle Mädchen, das zum zweiten Mal an diesem Abend seinen Weg gekreuzt hatte.
Die dicke Eisdecke der Themse brach einige Tage später wieder auf, und der frostige Jahrmarkt war so schnell vorbei, wie er begonnen hatte. Das Leben in London lief wieder in seinen gewohnten Bahnen.
Nik war mit dem Karren auf dem Weg durch die Stadt. In der Nacht war erneut Schnee gefallen. Eine dünne weiße Schicht bedeckte die wenigen Ecken der Straße, die noch niemand betreten hatte.
Plötzlich hörte er Männer hinter sich schreien. Stiefel dröhnten über das Pflaster. Seit dem Tag, als er das Tuch in der Themse gewaschen hatte, stellte Nik sich schützend vor seinen Karren, wenn er Geräusche einer Verfolgung hörte, und wartete, ob jemand durch die Straße gelaufen kam, in der er sich gerade befand.
Die Stimmen wurden lauter und Nik breitete die Arme vor seinem Wagen aus. Dann kam der Dieb um die Ecke. Seine Kapuze war ihm vom Kopf gerutscht und das lange rote Haar wehte wie ein Schleier hinter ihm her. Er lief direkt auf ihn zu. Als er nur noch ein paar Schritte entfernt war, erkannte Nik den Dieb: Es war das Mädchen mit den großen Augen und den roten Haaren. Nik überlegte nicht lange. Er griff nach ihrem Ärmel und hielt sie fest. Obwohl sie nach ihm schlug, ließ er nicht los. Sie zerkratzte sein Gesicht und kniff ihn in den Arm. Blut lief ihm warm über die Wange. Nik wischte es mit dem Ärmel ab und hob das Tuch an, das er zum Schutz gegen den Schnee über die Ware auf dem Karren gespannt hatte. Sie zögerte kurz, dann krabbelte sie auf den Wagen. Die Männer kamen gerade um die Ecke gerannt, als ein kleiner schwarzer Fuß unter dem Tuch verschwand.
Nik drehte sich zu den Verfolgern um. Sie liefen direkt auf ihn zu.
»Ich wollte sie packen, aber das Biest hat mich gekratzt.« Er deutete mit dem Arm die Straße entlang und die Männer verstanden. Ohne ein Wort liefen sie in die Richtung, in die er gezeigt hatte.
Nik fuhr sich noch einmal über die Wange. Die Wolle kratzte über sein Gesicht und sog das Blut auf, das unaufhörlich aus der
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