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Das Geheimnis des Spiegelmachers (German Edition)

Das Geheimnis des Spiegelmachers (German Edition)

Titel: Das Geheimnis des Spiegelmachers (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Antoinette Lühmann
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Augen. Er wartete geduldig mit der Gewissheit eines Mannes, der immer bekam, was er sich wünschte.
    »Warum bin ich in deine Werkstatt gekommen?«
    »Weil ich sie sehen kann, deine unerfüllte Sehnsucht, etwas Außergewöhnliches zu tun und etwas Besonderes zu sein.«
    Er hielt kurz inne. »Ich kenne sie auch«, sagte er langsam und betonte dabei jedes Wort verschwörerisch.
    »Aber du siehst so zufrieden aus.« Sie schüttelte den Kopf. »Wie kannst du dieselbe Unruhe spüren, die mich Tag für Tag zu zerreißen droht?«
    »Früher war ich auch unglücklich, und dann habe ich Wege gesucht, um mir zu holen, was ich brauchte.«
    »Was war das?«
    »Gefährten, die wie ich bereit waren, alles zu tun, um die Grenzen des Möglichen zu verschieben und etwas Außergewöhnliches zu erschaffen.«
    »Alles?«, flüsterte sie.
    Er nickte. »Alles!«
    »Und wenn dich jemand verurteilt für das, was du bist oder tust?«
    Er streckte die Hand nach ihr aus. »Niemand wird dich verurteilen, weil niemand dein Geheimnis erfahren wird«, raunte er.
    Doch Carmen konnte seine Hand nicht ergreifen. Noch nicht. Die Zweifel nagten an ihrem Gewissen und ein Versprechen, das sie einst gegeben hatte, bohrte sich schmerzhaft tief in ihr Herz hinein.
    »Ich kann es nicht verbergen. Weder mein Glück noch mein Traurigkeit«, flüsterte sie.
    »Du wirst es lernen«, sagte er leise. Dann nahm er die Hand, die den kleinen Spiegel hielt und hob sie vor ihr Gesicht.
    »Sieh doch, wer du tief in deinem Inneren bist! Willst du dieses wunderbare Wesen weiter einsperren und verbergen?«
    Carmen de Witt zögerte noch einen winzigen Augenblick, bevor sie den Kopf hob und sich ihrem Spiegelbild stellte. In ihren Augen las sie ungezügeltes Verlangen und Neugier auf die Gefühle, zu denen sie wieder fähig sein wollte.
    Sie ließ den Spiegel sinken und legte ihn auf die Werkbank.
    Während sie langsam auf das Bett zuging, löste sie die Bänder ihres Mieders.
    Nik folgte Amilias Beschreibung und stand vor der Werkstatt des Spiegelmachers. In der Hand hielt er ein Seil und den Schlüssel zur Hintertür seines Elternhauses. Die Nacht war mild und das Fenster unter dem Dach stand weit offen.
    Ellie berührte ihn an der Schulter. »Dort wohnt Heinrich?«
    Er nickte.
    »Was können wir tun?«
    »Wir sehen nach Benthe.«
    »Aber was machen wir mit ihm?«
    »Das überlegen wir später …«
    Sie spuckte auf die Straße. »Wir können ihn doch nicht davonkommen lassen!«
    »Heute schon«, sagte Nik und tastete die Mauersteine nach einem Vorsprung ab. Er schlug eine Schlinge in das Seil und versuchte, es über den Haken unter dem Dach zu werfen. Es gelang ihm nicht.
    Ellie klopfte hinter ihm ungeduldig mit dem Fuß auf die Straße. Nik drehte sich um.
    »Entschuldigung«, murmelte sie und zeigte auf eine Eiche hinter ihm. »Vielleicht kletterst du besser auf den Baum, sonst triffst du noch sein Fenster.«
    Ellie hatte recht. Er war das Risiko eingegangen, Heinrich zu wecken. Vielleicht hätten sie in dem Spiegelmacher den Mörder von Conrad Leipniz erkannt. Aber sie konnten es nicht riskieren, überrascht zu werden, bevor sie Benthe nicht gesehen hatten. Nik umfasste den untersten Ast und zog sich hinauf. Warum war es ihm nicht vorher eingefallen, auf den Baum zu klettern? Von den obersten Ästen warf Nik das Seil. Es verfing sich am Haken, der unter dem Dach befestigt war, um Lasten in die obersten Stockwerke zu ziehen. Er sprang wieder hinunter und ergriff den Strick.
    Im Haus klapperte etwas und er hielt inne. Auch Ellie war neben ihm erstarrt und suchte in den dunklen Fenstern nach einer Ursache für das Geräusch. Doch sie konnten nichts erkennen und im Haus blieb es ruhig.
    Nik wartete lange, obwohl ihn Ellie immer wieder anstieß und nach oben deutete. In der Ferne schlug eine Glocke. Schließlich wagte Nik sich hinauf und kletterte bis zum oberen Fenster. Darüber lag die Klappe für den Lagerraum.
    Er hielt sich am Fensterbrett fest und sah hinein. Mehrere Betten waren im Zimmer verteilt, eines stand direkt unter dem Fenster. Nik beugte sich vor und schob den Oberkörper durch den Fensterrahmen. Als er das Mädchen sah, taumelte er rückwärts, verlor den Halt und rutschte vom Fensterbrett ab. Ellie keuchte unten leise auf. Seine rechte Hand schloss sich um das Seil und mit der anderen konnte er sich gerade noch am Fensterrahmen festhalten.
    Die Mädchen lagen reglos in ihren Betten. Keine von ihnen hatte das dumpfe Pochen gehört, mit dem er gegen die Wand

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