Das Geheimnis des Templers - Episode VI: Mitten ins Herz (German Edition)
Gewand
nährte er in d’Our die Vorstellung von einem allgegenwärtigen Todesengel. Doch dann bemerkte der Komtur die Anwesenheit von
jemandem, bei dem diese Bezeichnung noch passender gewesen wäre: Guillaume Imbert, Großinquisitor, Bischof von Paris und persönlicher
Beichtvater Philipps IV. und zudem unseliger Verbündeter Guillaume de Nogarets.
»So sieht man sich wieder«, sagte der Mann im schwarzgrauen Surcot leise. Mit einem arroganten Lächeln entblößte er seine
scharfkantigen Zähne, derweil er nervös an seinem weißen Spitzenkragen zupfte.
Der dickbäuchige Foltergehilfe hatte den Komtur von Bar-sur-Aube inzwischen auf dem Boden abgesetzt und an eine hölzerne Kiste
gelehnt. Die Gliedmaßen in Ketten geschmiedet, das Genick steif wie ein Stock, traf d’Our von oben herab der vermeintlich
mitleidige Blick seines Peinigers.
»Nun ja«, resümierte Imbert in spöttischem Tonfall, »Wenn Ihr Euren Hochmut überwinden könnt und endlich eine vernünftige
Aussage für mich bereithaltet …«, beiläufig blickte er auf Francesco, »seid Ihr es vielleicht, der das Leben dieses Jungen
zu retten vermag …«
Francescos Schwester hatte die Bemerkungen des Inquisitors mit weit geöffneten Augen verfolgt, und nun sprang sie auf und
warf sich vor d’Our in den Schmutz, das Gesicht zwischen ihren ausgestreckten Armen unter einer Flut von herabfallenden Locken
verborgen.
|11| »Edler Mann«, klagte sie schluchzend, »was immer man von Euch wissen will, kann nicht so geheim sein, dass man dafür auch
nur ein Menschenleben opfert! Ich flehe Euch an!«
Während ihr Körper von heftigen Weinkrämpfen geschüttelt wurde, blickte d’Our anklagend zu Imbert, der teuflisch grinsend
neben ihr stand und damit seine tiefe Befriedigung anstandslos zur Schau stellte.
Der Komtur der Templer von Bar-sur-Aube würde es nicht über sich bringen, seinen Schützling zu opfern, schon gar nicht vor
den Augen von Mutter und Schwester.
Ein Schatten bewegte sich hinter Imbert und räusperte sich verhalten. Es war der Medicus, der die Szene mit großem Interesse
verfolgt hatte.
Imberts Augenmerk schnellte zwischen der reglos daliegenden Gräfin und dem neugierig dreinblickenden Arzt hin und her.
»Habt Ihr nicht gesagt, die Frau kommt wieder zu sich?«
Der Medicus nickte willfährig.
»Gut. Dann könnt Ihr fürs Erste verschwinden. Aber haltet Euch bereit, wie immer, falls ich Euch rufen lasse.«
Mit einem enttäuschten Zug um den Mund und einer unterwürfigen Verbeugung entfernte sich die schwarze Gestalt ebenso eilig,
wie sie erschienen war.
Imbert wandte sich um und holte unter einem an der Wand stehenden, hölzernen Schreibpult einen unscheinbaren Leinensack hervor.
Mit lauerndem Blick brachte er einen filigran gearbeiteten Frauenkopf aus reinem Silber zum Vorschein, der nur geringfügig
kleiner war als ein echter menschlicher Kopf. Er stand auf einem kleinen Sockel, in den gut lesbar die Initialen CAPUT LVIII
eingraviert waren.
»Mich interessiert weder, ob Ihr selbst gezeugte, frisch gebratene Neugeborene zum Abendmahl verspeist habt«, begann er in
scharfem Ton, »noch, ob Eure Novizen ihre unkeuschen Schwänze in den Arsch des Meisters schieben mussten, bevor man sie selbst
in einen weißen Mantel steckte.«
Für einen Moment weidete sich Imbert an dem bestürzten Blick der jungen Frau, die sich aufgerichtet hatte und nun zitternd
auf ihren Fersen hockte.
»Ich weiß, dass Ihr etwas viel Interessanteres für mich bereithaltet.« Seine Stimme erhob sich in teuflischer Genugtuung.
»Damit wir uns |12| richtig verstehen. Mich interessiert weder Euer Gold, noch wo Ihr es versteckt habt. Das sollen andere herausfinden. Mich
interessiert vielmehr, wo der Born Eures Wissens sprudelt.« Beinahe zärtlich strich er über das silbern schimmernde Gesichtchen.
»Und ob dieses reizende Antlitz etwas damit zu tun hat.«
Unvermittelt setzte er die wissensdurstige Miene eines Gelehrten auf. »Warum, frage ich mich«, fuhr er mit dozierender Stimme
fort, »finden wir beim Durchstöbern der Privatgemächer des Großmeisters der Templer in Paris einen silbernen Kopf, dessen
nebulöse Existenz durch unzählige Verhöre geistert, darin versteckt eine Botschaft, die besagt:
Geht zu H d O – nur er weiß, wie man die Stimme zum Sprechen bringt?
«
Imbert lachte boshaft. »Ja, da schaut Ihr«, rief er und versah Henri d’Our mit einem triumphierenden Blick. »Wir
sind
in der Lage
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