Das Geheimnis des Templers - Episode VI: Mitten ins Herz (German Edition)
Eure geheimen Schriften zu dechiffrieren. Der Rest war ein Kinderspiel.« Wieder lachte er, diesmal leise und noch
bösartiger. »Könnt Ihr mir verraten, warum diese drei Initialen nur auf einen einzigen Namen zutreffen, von den vielen, die
wir in den ellenlangen Personallisten in der Ordensburg von Troyes gefunden haben?« Der Großinquisitor hielt inne. »Nämlich
auf den Euren?«
D’Our blieb regungslos, bemüht darum, seinen Blick so klar zu halten wie reines Quellwasser.
»Was seid Ihr?«, fauchte Imbert ungehalten. »Ein Zauberer? Könnt Ihr dieses Ding hier zum Sprechen bringen?« Wie ein lauerndes
Reptil näherte er sich seinem Opfer und ließ sich dazu herab, vor ihm in die Hocke zu gehen.
Dabei kam er d’Our so nahe, dass dessen bereits abgestumpfter Geruchssinn mühelos die unappetitliche Mischung aus fauligem
Atem und teurem Parfüm wahrnehmen konnte.
»Wir haben Euren Großmeister verhört, vor vier Tagen in Corbeil«, resümierte Imbert in der ihm eigenen Selbstgefälligkeit.
Wohl eher unbeabsichtigt verriet er Henri d’Our damit, wo man das Oberhaupt der Templer zurzeit gefangen hielt.
»Auf dieses Phänomen hin angesprochen, behauptete Jacques de Molay, er sei nur ein einfacher Mann, der noch nicht einmal des
Lesens und Schreibens mächtig sei, und er wisse nichts von einem Kopf, geschweige denn etwas von einem Zettel, den er zusammen
mit diesem |13| niedlichen Antlitz in das ihm völlig unbekannte Versteck gelegt haben sollte!« Imberts Stimme war immer lauter geworden, und
sein ansonsten bleicher Schädel hatte vor lauter Wut die Farbe eines gekochten Hummers angenommen.
Unvermittelt heftig sprang er auf. »Wollt Ihr mich alle zum Narren halten?«
Voller Zorn warf er d’Our mit Schwung das Haupt zu, das der Komtur wegen seiner angeketteten Arme nicht auffangen konnte.
So landete der kleine Kopf aus massivem Silber in d’Ours Schoß und traf dessen Hoden, die einzige Stelle seines Körpers, die
man bis jetzt von den Folterungen ausgespart hatte.
Mit schmerzverzerrter Miene hielt d’Our für einen Moment die Luft an und schluckte anschließend verkrampft. Sein Mund war
mit einem Mal trocken, und sein Blick wanderte unruhig hin und her, zwischen der vor ihm liegenden Frau und dem schwer gefolterten
Francesco, für den er eine tiefe Verantwortung empfand.
Fieberhaft überlegte er, wie er sich aus dieser Falle herauswinden konnte. Er hatte einen minimalen Vorteil. Imbert wollte
etwas von ihm, und zwar etwas, das er sich einiges kosten lassen würde. Bisher waren dessen Bemühungen nicht gerade von Erfolg
gekrönt gewesen, und König Philipp würde die weitere Karriere seines Großinquisitors vermutlich von eben diesem Erfolg abhängig
machen.
»Wenn Ihr mir einen Schluck Wasser geben wollt«, sagte d’Our mit einer Ruhe, die ihn selbst zum Erstaunen brachte, »dann könnte
ich es mir in Eurem Sinne überlegen, mein Schweigen zu brechen.« Er senkte den Blick und versuchte anteilslos zu wirken. Imbert
durfte auf keinen Fall bemerken, wie viel ihm am Leben des Jungen lag.
»Tut, was er verlangt«, sagte Imbert und wies den Kerkermeister mit einer Geste an, d’Our eine Kelle mit Wasser zu reichen.
Gierig trank er das kalte Nass, wie ein Kamel, das man wochenlang durch die Wüste getrieben hatte. Seine verbliebenen Zähne
schmerzten grauenvoll, jedoch seine Gedanken klärten sich mit jedem Schluck, und seine Stimme klang fest und deutlich, als
er fortfuhr.
»Ich sage Euch, was Ihr hören wollt«, begann er, und dabei schaute er den Großinquisitor von unten herauf mit einer unschuldigen
Miene an. »Unter einer Bedingung.«
|14| »Ich denke nicht, dass es an Euch ist, Bedingungen zu stellen«, erwiderte Imbert frostig und warf einen schnellen Blick auf
die immer noch am Boden kauernde, junge Frau.
»Und ich denke, Ihr wollt etwas wissen, das nur ich Euch zu sagen vermag?«, erwiderte d’Our betont gleichgültig.
Das Augenmerk des Inquisitors richtete sich mehr und mehr auf Francesco, den jungen Templer.
»Ihr braucht ihn erst gar nicht ins Kalkül zu ziehen«, bemerkte d’Our’ tonlos. »Ich habe bislang auch nicht das gesagt, was
Ihr hören wolltet, obwohl mir seine Schreie nicht entgangen sind.«
In Wahrheit hatte er bis jetzt nie gewusst, wer gerade geschrien hatte. Er hatte allenfalls ahnen können, welcher seiner Untergebenen
gefoltert wurde.
»Dann macht es Euch bestimmt nichts aus«, erwiderte Imbert erbarmungslos. »Wenn ich
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