Das Geheimnis des toten Fischers
noch den
Lebensunterhalt mit Fischfang?«
»Wenn man das Leben nennt...«
»Haben Sie schon mal von einem Hospiz
namens ›The Tidepools‹ gehört? Wissen Sie etwas darüber?«
Sie lehnte sich mit der Hüfte gegen die
Tischkante und schien sich auf ein längeres Gespräch einzurichten. Die
Kellnerin war Anfang fünfzig und sah selbst im gedämpften Licht des Restaurants
müde aus. »Ja - das ist was ganz Nobles, wie ein Sanatorium — aber da kommt
einer nur rein, wenn er schon am Abkratzen ist.«
»Ist es teuer?«
»Könnte ich mir denken. Ich hab’ mal
einen Artikel darüber in der Zeitung gelesen. Es heißt, sie haben eine
besondere Art, auf den Tod vorzubereiten.« Sie zuckte mit den Schultern. »Ich
weiß nicht. Für mich gibt es nur eine Art, und die heißt Schluß, Ende, aus.«
»Sicher.«
Sie trat von einem Fuß auf den anderen
und schaute dabei nachdenklich zu Boden. »Wissen Sie, ich habe so das Gefühl,
daß man dort irgendwie ein Spiel treibt.«
»Ein Spiel?«
»Man tut so, als ob die Leute gar nicht
wirklich sterben müssen. Spiele, um das Drohende zu vertreiben.«
Der Ausdruck ließ mich erschauern. »Tun
wir das nicht alle?«
»Ja, wirklich.« Sie richtete sich auf
und warf einen Blick hinüber zur Registrierkasse, wo ein Mann das Kleingeld
zählte. »Ich glaube, ich mach mich jetzt wieder an die Arbeit. Wollen Sie was
trinken? Einen Wein?«
»Gern. Einen Weißen.«
Ich verzehrte meinen Krabbencocktail
und trank den Wein und danach noch ein zweites Glas, schaute hinaus auf das
Wasser und beobachtete die Leute, die draußen vorübergingen. Es war nicht
gerade Hochsaison, dennoch wimmelte es fast von Touristen. Sie schlenderten
allein oder in kleinen Gruppen müßig durch die abendlichen Straßen.
Ich mußte an Greg denken und fragte
mich, wie es zwischen uns gewesen wäre, wenn wir hier Ferien gemacht hätten.
Wir hatten nie Gelegenheit gehabt, es herauszufinden, und jetzt war es zu spät.
Manchmal fragte ich mich, ob ich noch einmal eine Beziehung eingehen und für
einige Zeit die Einsamkeit verscheuchen würde — ein Spiel, um das Drohende zu
vertreiben...
Kapitel
4
Gegen Morgen waren meine privaten
Gedanken und Gefühle in jene entfernte Ecke meines Gehirns verdrängt, wo sie
normalerweise verborgen waren — und blieben hoffentlich lange dort. Ich stand
auf, schaltete die Kaffeemaschine ein, nahm eine Dusche und rief dann Jane
Anthonys Mutter an. Sie weigerte sich zunächst, überhaupt mit einer angeblichen
Freundin von Jane zu sprechen, erklärte sich dann aber bereit, mich um elf zu
empfangen, nachdem sie vom Einkaufen zurück sei. Also ließ ich mir Zeit beim
Frühstück, genoß das Rührei mit Schinken und fuhr anschließend nach Salmon Bay.
Es war ein warmer Tag, der noch kaum
etwas vom Herbst ahnen ließ, und die vereinzelten Nebelschwaden, die vom
Pazifik hereindrangen, würden bald von der Sonne aufgelöst sein. Ich folgte der
Küstenstraße in Richtung Norden, zunächst durch eine exklusive Villensiedlung
und dann durch ausgedehntes Farmland.
Kürbisfelder, bunt von den reifen
Früchten, erstreckten sich nach Westen bis zum Strand, während sich im Osten
die sonnenverbrannten Hügel erhoben. Nach acht oder neun Meilen beschrieb die
Küstenstraße einen weiten Bogen um eine kleine Bucht, in der Boote vor Anker
lagen. Eine halbe Meile weiter zeigten eine Kreuzung mit gelbem Blinklicht und
ein verwittertes Straßenschild die Zufahrt nach Salmon Bay an.
Es war eine Landstraße, und sie war
wohl schon seit längerem nicht in bestem Zustand. Ich schaltete herunter und
holperte auf der Straße entlang, die durch ein Feld führte, das schon lange
nicht mehr bestellt worden war und auf dem niedriges Gestrüpp wucherte. Die
Straße beschrieb ein paar Kurven und verlief dann parallel zur Küstenlinie. Das
erste Gebäude, das ich erreichte, war eine Bootswerft, umgeben von einem
Maschendrahtzaun. Es lagen Boote auf Kiel und warteten darauf, repariert zu
werden. Doch die Werft schien verlassen zu sein, bis auf einen Mann, der vom
Bug eines alten grünen Bootes die Farbe abkratzte. Ich fuhr weiter, vorbei an ›Johnsons
Marinelager‹, ›Roses Krabbenhütte‹ und an einem Gemischtwarenladen. Von hier
aus verliefen mehrere ungeteerte Straßen nach rechts, gesäumt von verfallenen
Häusern. An keiner der Straßen entdeckte ich ein Straßenschild.
Bedauerlicherweise hatte ich es
versäumt, Mrs. Anthony zu fragen, wie ich zu ihrem Haus gelangte. Ich hatte
auch nicht daran
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