Das Geheimnis des toten Fischers
entsetzlich.« Sie trank
einen Schluck und bekam wieder Farbe im Gesicht. »Und was unternimmt die
Polizei sonst?«
»Das übliche, denke ich.«
»Und Sie?«
»Mein Auftrag ist beendet. Abe Snelling
braucht meine Dienste nicht mehr.«
»Ich verstehe.« Liz schwieg, während
der Kellner unser Essen servierte, doch sie schien keinen Appetit mehr zu
haben.
»Liz«, fragte ich, »was hat Ihnen Jane
über ihre Beziehung zu diesem Snelling erzählt?«
»Nichts — nur, daß er ein Freund ist
und ihr hilft.«
»Sonst nichts? Wie sie ihn
kennengelernt hat, vielleicht etwas über ihr gemeinsames Interesse an der
Photographie?«
»Gar nichts. Ich habe nicht einmal
gewußt, daß er Photograph ist, bis Sie es neulich erwähnten. Und natürlich
hätte Jane nicht mit mir über Photographie gesprochen — sie wußte, daß ich
keine Ahnung habe, wo man bei einer Kamera durchschauen muß.«
»Wie gut waren Sie mit Jane
befreundet?«
»Oh, wir standen einander ziemlich
nahe. Wir haben bei ›The Tidepools‹ gearbeitet und oft einen Schluck nach der
Arbeit getrunken. Manchmal sind wir auch miteinander zum Essen gegangen.«
»Und hier, in San Francisco?«
»Wir haben uns gelegentlich getroffen.«
»Nachdem diese Patienten gestorben
sind, haben Sie als erste das Hospiz verlassen, nicht wahr?«
Ihre Augen drückten Erstaunen aus. »Das
haben Sie also auch herausgefunden?«
»Es war nicht schwer. Ich würde sagen,
die Sache ist bekannt.«
»Ja, das kann man behaupten.«
»Die Person, die mir von den
Todesfällen erzählte, hat mir auch berichtet, daß man dort eine bestimmte Droge
verwendet«, sagte ich, »ein Schmerzmittel, das bei Überdosis tödlich ist.«
»Hören Sie, ich möchte lieber nicht
darüber reden.«
»Sagen Sie mir nur, was das für ein
Medikament war. Dann lassen wir das Thema auf sich beruhen.« Ich wußte nicht
genau, warum mich diese Sache so sehr beschäftigte, aber ich fühlte instinktiv,
daß ich herausfinden mußte, was dahintersteckte.
Liz seufzte. »Es ist eine Variation von
dem, was man ›Bromptons Mischung‹ nennt. Ein Mittel, das in England entwickelt
wurde. Es besteht aus Morphin, Alkohol und einem der Phenothiazine.«
»Der — was?«
»Thorazin, Compazin oder — hören Sie,
das kann doch nicht wichtig sein für Sie.«
Ich mußte zugeben, daß es mir nichts
sagte. »Aber die Mischung ist stark genug, um jemanden töten zu können?«
»Natürlich, wenn man es in größerer
Dosis zu sich nimmt. Und das haben diese Patienten getan.«
»Wie sind sie an diese Dosen
herangekommen?«
»Die Polizei meint, sie haben von ihrer
täglichen Dosis immer etwas abgezweigt und aufgehoben.« Liz verzog das Gesicht.
»Zu dem Schluß sind sie allerdings erst gekommen, nachdem sie dem Personal die
Hölle heiß gemacht haben. Aber sie haben selbst festgestellt, daß der Apotheker
des Hospizes die Medikamente unter strenger Kontrolle gehalten hat. Es war
ausgeschlossen, daß jemand mehr als die zugelassene Dosis erhielt.«
»Kannten Sie denn einen der Patienten,
die damals an der Überdosis gestorben sind?«
»Ich kannte alle drei. Aber ich
arbeitete nicht bei dem medizinischen Team, das für sie eingeteilt war.«
»Und Jane?«
»Ich weiß nicht...« Sie hielt inne, und
ein seltsamer Ausdruck trat auf ihr Gesicht.
»War sie dabei?«
»Ich glaube. Ich bin nicht sicher, ob
sie mit allen dreien gearbeitet hat, aber auf jeden Fall war sie Barbara Smith
als Sozialhelferin zugeteilt.«
»Welche war Barbara Smith?«
»Die letzte, deren Mann — « Sie schaute
auf ihre Armbanduhr. »Ich muß jetzt zur Arbeit.«
»Liz —«
»Ich muß gehen.« Sie stand auf und
legte Geld auf den Tisch. »Danke, daß Sie mich wegen Jane benachrichtigt
haben.« Sie ging rasch hinaus auf die Straße. Ich blickte ihr nach, wie sie die
Straße überquerte.
Mein Blick fiel auf meine Aktenmappe,
die neben mir am Boden stand. Ich hätte ins Rathaus gehen und die Dokumente
einreichen sollen. Ich hätte Jane Anthony und ›The Tidepools‹ vergessen sollen.
Wenn ich mich beeilte, konnte ich den Rest des Tages noch nutzen, mir eine neue
Wohnung zu suchen.
Doch statt dessen fuhr ich zu Abe
Snellings Haus.
Kapitel
10
Als ich den schon halb abgerissenen Block
am Potrero Hill erreicht hatte, hatte ich mir eine Strategie zurechtgelegt, wie
ich besser an Snelling herankommen würde. Wie die meisten Künstler hegte der
Photograph eine Leidenschaft für seine Arbeit und liebte es, darüber zu
sprechen. Immerhin — hatte er sich
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