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Das Geheimnis des toten Fischers

Das Geheimnis des toten Fischers

Titel: Das Geheimnis des toten Fischers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marcia Muller
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die Stadt hereinbrach.
     
    Am nächsten Morgen fuhr ich zu dem im
viktorianischen Stil erbauten Holzhaus, in dem All Souls untergebracht war. Das
Haus stand in einer Nebenstraße gegenüber einem Park, und wie immer gab es weit
und breit keinen Parkplatz. Ich ließ schließlich meinen Wagen neben einem
Hydranten stehen — die Politessen tauchten meist erst gegen Mittag auf — und
lief die ausgetretene Treppe hinauf. Im Haus herrschte der übliche morgendliche
Aufruhr: Anwälte, die nicht in den oberen Stockwerken wohnten, trafen ein;
andere nahmen ihre Unterlagen und eilten zum Gericht. Hank stand am Empfang und
unterhielt sich mit Ted, dem Sekretär, über eine Bestellung Büromaterial. Als
Hank mich sah, murmelte er etwas über irgendwelche Dokumente und Notizen auf
meinem Schreibtisch. Ich ging den Korridor entlang, doch dann rief er hinter
mir her.
    »Abe Snelling hat heute früh
angerufen.«
    Ich blieb stehen. »Was wollte er denn?«
    »Er sagte, ich soll dir für deine gute
Arbeit danken, und er bat uns, die Rechnung zu schicken.«
    »Welchen Eindruck hat er gemacht?«
    Hank zog die Stirn in Falten. »Normal.
Warum?«
    »Gestern war er ziemlich am Boden
zerstört über den Tod seiner Untermieterin.«
    »Dann scheint er sich rasch erholt zu
haben. Heute morgen klang seine Stimme ganz geschäftsmäßig.«
    Ich seufzte, war seltsamerweise
verärgert über Snellings normales Verhalten und ging in mein Büro. Auf dem
Schreibtisch lag ein dicker Umschlag mit Notizen über eine vorgerichtliche
Besprechung wegen einer Mietauseinandersetzung. Ich zog meine Jacke aus und
beschäftigte mich die nächsten Stunden ausführlich damit.
    Dann fiel mir Liz Schaff ein. Ich hatte
ihr versprochen, sie wissen zu lassen, was ich herausgefunden hatte. Vielleicht
konnte sie mir doch etwas mehr über die Beziehung zwischen Jane und Snelling
berichten. Sicher hatte Jane ihr mehr über ihn gesagt als nur den Namen. Ich
nahm den Hörer ab, wußte, daß Liz nachmittags arbeitete, und rief daher bei ihr
zu Hause an. Sie war einverstanden, sich mit mir zum Mittagessen zu treffen,
und ich schlug das Blue Owl Café gegenüber dem Krankenhaus vor.
     
    Liz erwartete mich an einem der
Tischchen, als ich eintraf. Sie trug einen Mantel, denn es war empfindlich
kühl. Die Herbstsonne schimmerte in ihrem hellblonden Haar. Es war einer jener
kühlen, klaren Tage, die einen für den Sommernebel in San Francisco
entschädigen, und die gestreiften Sonnenschirme und die Blumen auf den Tischen
ergänzten die farbenfrohe Umgebung.
    Als ich mich an den Tisch gesetzt
hatte, fiel mir auf, daß Liz ein Glas Wein vor sich stehen hatte. Es
überraschte mich, daß eine Krankenschwester vor dem Dienst Alkohol trank, doch
dann sagte ich mir, daß das ja schließlich ihre Sache war. Auch ich bestellte
ein Glas Wein, und wir entschieden uns beide für das angebotene Menü. Als der
Kellner gegangen war, beugte sich Liz über den Tisch.
    »Haben Sie Jane gefunden?«
    »In gewisser Weise.«
    »Was soll das heißen?«
    »Ich bedaure, Ihnen mitteilen zu
müssen, daß Ihre Freundin tot ist«, sagte ich geschäftsmäßig. »Ermordet. Ich
habe sie vorgestern nacht gefunden.«
    »Sie haben sie...« Liz wurde blaß.
»Wo?«
    »Kennen Sie den alten Pier in Salmon
Bay?«
    »Gott, natürlich. Als wir zur Schule
gingen, sind wir dort mit den Jungs herumgelungert, haben Bier getrunken und
allen möglichen Unsinn gemacht.«
    »Ich glaube nicht, daß sie deshalb
dorthingegangen ist. Jemand hat sie erstochen und dann halb im Wasser, unter
dem Pier liegengelassen.«
    Liz trank ihr Glas aus, machte dem Kellner,
der sie zu kennen schien, ein Zeichen und ließ sich ein zweites Glas bringen.
Dann wischte sie sich über die Augen. »Jemand? Weiß die Polizei denn nicht,
wer?«
    »Nein. Kennen Sie einen Fischer namens
John Cala?«
    »Ja. Er ist auf die gleiche Schule gegangen
wie wir. Er war immer ein wilder Kerl und hat Ärger gemacht, damals.«
    »Die Polizei hat ihn zunächst
verdächtigt. Aber er hat ein Alibi.«
    »Warum haben sie John verdächtigt?«
    »Er hat den Leichnam vor mir gefunden,
hat es aber nicht gemeldet. Er ist ebenfalls hinausgegangen auf den alten Pier.
Ich gäbe was darum, wenn ich wüßte warum.«
    Liz schien nachzudenken. »Wann ist das
alles passiert? Vorgestern abend?«
    »Ja. Gegen acht Uhr.«
    »Und die Polizei hat John
festgenommen?«
    »Er dürfte inzwischen wieder frei
sein.«
    »Und er sagt nicht, was er dort gewollt
hat?«
    »Nein.«
    »Mein Gott, wie

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