Das Geheimnis des verlassenen Schlosses
dir werden wir auch fertig.”
Die Maschine wiederholte auch diese Worte, und dann trat Schweigen ein.
Die Sprechmaschine hatte bislang nur wenig Wörter der Erdbewohner gespeichert, und
sie wartete, daß die Gefangenen wieder anhöben zu sprechen. Mentacho wollte jedoch
seinen Entführern keinen Dienst erweisen. Er hätte am liebsten bis in alle Ewigkeit
geschwiegen. Aber ob er wollte oder nicht, er mußte sich schließlich mit seiner Frau
unterhalten. Die Außerirdischen hatten sehr schlau gehandelt, als sie ein Ehepaar
entführten.
Doch nicht nur die Sprechmaschine wartete. Auch General Baan-Nu wartete auf neue
Meldungen über die Gefangenen. Wie immer war er mit seinem Lieblingswerk beschäftigt, er schrieb an dem historischen Buch „Die Eroberung der Belliora”.
Der General begann eine neue Seite: „Ich fahre also in meiner Beschreibung fort.
Nachdem mich der Drachen besucht hatte…”, hier wurde Baan-Nu nachdenklich. Heute
bewegten ihn die Meldungen über die Sprechmaschine und die Gefangenen mehr als die
eigene Phantasie. Doch sie wäre unerschöpflich gewesen, wenn der General nur gewußt
hätte, wie nahe er der Wahrheit war: In Hurrikaps Land gab es in der Tat Drachen.
Hungrig verschlang die Maschine alle Wörter der Erdbewohner. Gegen Abend hatte sie
bereits mehrere hundert gespeichert. Nun begann sie den Sinn einiger Wörter zu erraten.
So sprach sie beispielsweise das Wort „Brot” aus, wonach man sofort hörte: „Nobar.”
Nach dem Wort „Wasser” hieß es plötzlich „Essor”. Mentacho hörte zu und behielt
unwillkürlich die Wörter in Erinnerung.
„Brot heißt also Nobar”, brummte er, „und Wasser - Essor.”
Das Gedächtnis des Webers wurde um immer neue menvitische Wörter bereichert. Da
erkannte er, daß er im Begriff war, Dolmetscher zu werden.
Innerlich widersetzte er sich jedoch: Dienen werde ich den Fremden nicht. Dabei prägte
er sich weitere Wörter ein. Und wenn ich diesen Quatschapparat zerschlage?
Mentacho drehte den Tisch bereits um, besann sich jedoch im letzten Moment. Er war
immerhin ein Gefangener der Fremdlinge. Wenn er sich ihnen nicht unterwarf, so würden sie unweigerlich etwas gegen ihn unternehmen. Vor allem aber fürchtete Mentacho
für Elvina. Er liebte seine Frau von Herzen.
„Na schön, wenn es denn sein muß, so werde ich ihre verfluchte Sprache erlernen!” rief
der Weber zornig aus. „Vielleicht wird sie mir nützen.”
Der Riegel knackte, die Tür öffnete sich, und ein Mann trat ein. Er stellte
Erfrischungsgetränke und belegte Brote auf den Tisch, wies dann mit dem Finger auf
sich und stellte sich vor:
„Ilsor.”
„Ilsor”, wiederholte die Maschine in der Ecke. Wenn nicht Ilsors bleiche Hautfarbe
gewesen wäre, so hätten Mentacho und Elvina ihn sicher für einen Einwohner des
Zauberlandes gehalten: Er hatte ein offenes Gesicht, gütige Augen und wirkte
vertrauenerweckend.
Mentacho stellte Elvina und dann sich selbst vor. Ilsor öffnete die Tür, blickte sich
hastig um und gab Mentacho ein Zeichen, ihm zu folgen. Elvina wollte gern mitgehen,
doch Ilsor schüttelte schweigend den Kopf. Der Cheftechniker der Arsaken führte
Mentacho in das Dikkicht in der Nähe des Schlosses und wies auf einen Haufen grauer
Steine, die dort ordentlich gestapelt lagen. „Verzage nicht, Mentacho. Halte durch”,
vernahm er ein Flüstern, das aus dem Erdboden zu kommen schien. Mentacho, der den
Ausspruch des Riesen von jenseits der Berge erkannt hatte, betrachtete die Steine
genauer. Ein Stapel bewegte sich leise, und der Weber erblickte zu seinen Füßen einen
winzigen Greis mit langem schlohweißem Bart.
Der Alte stellte sich vor:
„Ich bin Kastaglio, der Älteste unter den Zwergen. Ich habe dir Nachricht vom
Scheuch gebracht. Dir, Mentacho, ist die Ehre zuteil geworden; zum Auge und Ohr
der Erdbewohner im feindlichen Lager zu werden.”
Der verblüffte Mentacho schwieg. Der Zwerg indes fuhr fort
„Versuche, die Sprache der Fremdlinge zu erlernen. Wir müssen ihre Absichten
erfahren.”
Ilsor winkte Mentacho und führte ihn zu Elvina zurück.
Der Weber hätte sich gern bei Ilsor bedankt, wußte aber nicht, wie das auf Menvitisch
hieß. Deshalb wies er mit der Hand auf das Tablett mit Erfrischungsgetränken und
belegten Broten und rief:
„Nobar! Essor!”
Am selben Tag verbreitete sich unter den Außerirdischen das Gerücht, der gefangene
Belliore würde gute Fortschritte beim Erlernen der menvitischen Sprache machen.
DIE
Weitere Kostenlose Bücher