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Das Geheimnis des Viscounts

Titel: Das Geheimnis des Viscounts Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elizabeth Hoyt
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Melisande hinüber. Sie hatte sich umgedreht und blickte ihm entgegen, die Hände vor der Taille gefaltet, den Rücken kerzengerade wie immer. Nichts deutete auf die Frau hin, die ihn die Nacht zuvor so meisterlich verführt hatte. Kurz verspürte er den Impuls, sie bei den Schultern zu packen und zu schütteln, ihre Fassade zu durchbrechen, ihren Rücken zu beugen.
    Natürlich tat er nichts dergleichen; man machte seiner Frau nicht in aller Öffentlichkeit eine Szene — auch dann nicht, wenn sie soeben mit einer Person zweifelhaften Rufs geplaudert hatte.
    Stattdessen lächelte er und rief ihr entgegen: „Welch eine Freude, dich zu sehen, mein Herz. Machst du einen Spaziergang?"
    Als Mouse ihn erblickte, trennte er sich von einem kleinen, schlammverschmierten Jungen, kam angewetzt und kläffte lauthals Jaspers Stute an. Dieser Hund hatte wirklich ein Spatzenhirn! Glücklicherweise war Belle ein gutmütiges Geschöpf und schnaubte den kleinen Terrier nur an, der ihr wild vor den Hufen herumsprang.
    „Mouse", sagte Jasper streng. „Sitz."
    Wundersamerweise tat der Hund, wie ihm geheißen und pflanzte sich ins Gras.
    Jasper sprang aus dem Sattel und sah Mouse an. Der Terrier wedelte mit dem Schwanz. Jasper schaute ihn so lange an, bis Mouse den Kopf senkte und so heftig mit dem Schwanz wedelte, dass sein ganzes Hinterteil hin und her wackelte. Den Kopf fast im Gras robbte er sich an Jasper heran, die Schnauze zu einem unterwürfigen Grienen verzogen.
    „Ach, du meine Güte", murmelte Jasper. So wie das Tier sich hier aufführte, könnte man glatt meinen, er habe es geschlagen.
    Mouse nahm es als Erlaubnis aufzuspringen, kam herbeigetrottet und setzte sich erwartungsvoll zu Jaspers Füßen.
    Hinter sich vernahm Jasper ein ersticktes Lachen. Aus den Augenwinkeln sah er, dass Melisande sich die Hand vor den Mund hielt. „Ich glaube, er mag dich", meinte sie.
    „Schön, aber mag ich ihn?"
    „Darauf kommt es doch gar nicht an." Sie kam herbeigeschlendert. „Er mag dich, und damit hat es sich."
    „Hmmm." Jasper betrachtete Mouse, der gespannt den Kopf zur Seite geneigt hatte, als warte er auf Anweisungen. „Na, lauf schon."
    Der Hund bellte einmal und rannte dann in weitem Bogen um Jasper, Melisande und das Pferd herum.
    „Man sollte meinen, er würde mich nicht mögen, nachdem ich ihn im Keller eingesperrt habe", überlegte Jasper laut.
    „So sind Hunde nun einmal", meinte sie achselzuckend und hob einen Stock auf. „Hier."
    Jasper beäugte den Stock. Er war schlammverkrustet. „Sehr aufmerksam, Mylady. Ich weiß kaum, was ich sagen soll."
    Sie verdrehte die Augen. „Der ist doch nicht für dich. Du sollst ihn für Mouse werfen."
    „Warum?"
    „Weil er gerne Stöckchen jagt", erklärte sie so geduldig, als wäre er ein etwas begriffsstutziges Kind.
    „Aha." Er nahm den Stock. Sofort blieb Mouse stehen und spitzte die Ohren. Jasper warf den Stock so weit er konnte und ertappte sich dabei, vor seiner Gemahlin angeben zu wollen.
    Freudig rannte Mouse dem Stock hinterher, stürzte sich darauf und schüttelte ihn wütend hin und her. Dann trottete er hinab zum See.
    Jasper runzelte die Stirn. „Sollte er ihn nicht eigentlich zurückbringen?"
    „Ich habe nicht gesagt, dass er gern apportiert — nur dass er gern Stöckchen jagt."
    Jasper schaute seine Frau an. In der frischen Morgenluft hatten ihre sonst so blassen Wangen einen rosigen Schimmer bekommen; ihre Augen funkelten vergnügt, weil sie ihn ausgetrickst hatte, und sie sah ... reizend aus. Sehr, sehr reizend.
    Er schluckte, ehe er ein Wort herausbekam. „Soll das heißen, dass ich meinen schönen Stock nie wiedersehen werde?"
    Vom anderen Ufer des Teichs kam ein lautes Knack! , als Mouse sich durch seine Beute biss.
    Melisande sah bedauernd drein. „Vermutlich willst du ihn jetzt ohnehin nicht mehr zurückhaben."
    „Er frisst den doch nicht, oder?"
    „Bislang hat er es noch nie getan."
    „Ah." Und dann wusste er auf einmal nicht mehr, was er sagen sollte — was ihm äußerst selten passierte. Er würde ja gern erfahren, worüber sie mit Mrs Fitzwilliam gesprochen hatte, wusste aber beim besten Willen nicht, wie er die Frage formulieren sollte. Hast du dich von einer Kurtisane in der Kunst der Verführung unterweisen lassen? war vielleicht etwas unelegant. Er sah sich um und stellte fest, dass Mrs Fitzwilliam und ihre Kinder den Park verlassen hatten. Zumindest konnte er sie nirgends mehr sehen.
    „Warum hast du beim Frühstück nicht auf mich

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