Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Geheimnis des Walfischknochens - Roman

Das Geheimnis des Walfischknochens - Roman

Titel: Das Geheimnis des Walfischknochens - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tanja Heitmann
Vom Netzwerk:
es keine aufgelösten Schluchzer, sondern ein befreiendes Weinen. Bis sie sich wieder beruhigte, hielt Greta sie im Arm und wischte die eigenen Tränenspuren aus dem Gesicht. Ihren Lidstrich hatte sie vergessen.
    Als Greta später die ausgetretenen Treppenstufen des Sturmwind hinablief, verspürte sie Erleichterung und nahm erst jetzt wahr, dass die ganze Zeit über ein Gewicht auf ihren Schultern gelastet hatte. Eigentlich seit Arjen in seiner Geburtstagsrede von seinen Reiseabsichten erzählt und ihre Familie wenig begeistert reagiert hatte. Damals hatte sie die Sorge gehabt, dass die »geschenkte Zeit« in Wahrheit für Arjen »geraubte Zeit« war. Jetzt erst erkannte sie, dass es sich um mehr als um »geschenkte Zeit« oder um das Auflebenlassen einer Kindheit drehte – bei ihrer Reise ging es um nichts Geringeres als um Arjens Leben.
    Den Nachmittag über war Greta nicht von der Seite ihres Großvaters gewichen, der sich mittlerweile so weit erholt hatte, dass er sich zum Teetrinken in den Sessel beim Fenster setzen konnte. Das war ihm wichtig gewesen, genau wie er es sichtlich genoss, seine Enkeltochter gemeinsam mit Birte, die ihren freien Nachmittag mit ihnen verbrachte, aufzuziehen, sie müsse wohl ein süßes Geheimnis haben, weil sie so gedankenverloren aufs Meer hinausblickte. Wäre Greta mit ihrem Großvater allein gewesen, hätte sie ihm vielleicht von ihrem Gespräch mit Mathilde erzählt. Je länger sie darüber nachdachte, desto mehr verunsicherte sie Mattes’ kompromissloses Verhalten, während sie sich zugleich davon angezogen fühlte. Im Gegensatz zu ihr war Mattes keine Kompromisse eingegangen, sondern hatte sich seinen Überzeugungen entsprechend verhalten und sich damit gegen seine Gefühle entschieden. Es war erstaunlich, dass ihre Beziehungen einander wie Negativ und Positiv gegenüberstanden.
    »Hallo! Greta! Liebes, warten Sie doch bitte einen Moment.«
    Trudes Stimme riss Greta aus ihren Grübeleien, und sie fand sich zu ihrer Überraschung bereits an der Rezeption wieder. So was . Offenbar ging sie wie eine Schlafwandlerin durchs Hotel und wäre zu guter Letzt bestimmt im Hafenbecken gelandet, weil sie in ihrem Tran stetig geradeaus gelaufen wäre. Mit gestrafften Schultern stellte sie sich vor den Tresen und bereitete sich innerlich darauf vor, Trude gleich Rede und Antwort stehen zu müssen. Schon das selbstzufriedene Lächeln auf dem Gesicht der Wirtin verriet mehr als genug.
    »Gut, dass ich Sie noch erwische, ich habe nämlich etwas für Sie.«
    Die folgende Kunstpause nutzte Trude dafür, an ihrer um den Hals baumelnden Lesebrille herumzuspielen, während es zwischen Gretas Schulterblättern unangenehm heiß wurde.
    Als Greta immer noch keine Anstalten machte nachzufragen, räusperte sich Trude. »Mein Neffe, der Mattes, ist vor knapp einer halben Stunde reingeschneit und ist genau auf der Stelle, auf der Sie jetzt gerade stehen, von einem Bein aufs andere getreten. Ich wusste gar nicht, dass der Kerl so verlegen dreinblicken kann! Dabei habe ich ihn bloß ein wenig damit aufgezogen, dass seine Schwiegermutter in spe eingetroffen ist und er sich rasch mal was Schickes anziehen soll. Im Anzug macht der Junge nämlich ordentlich was her, auch wenn er immer so tut, als wäre er mit seinen Norwegerpullis und Gummistiefeln verwachsen. Dann habe ich noch erwähnt, dass Sie heute mit Mathilde einen Plausch gehalten haben. Ha! Da ist ihm glatt die Kinnlade runtergefallen. Am liebsten hätte er mir den Umschlag auf den Tresen geschmissen und sich dann aus dem Staub gemacht. Keine Zeit für Tee, er wäre gerade erst aus Aurich zurück und müsse nun ganz schnell mit Fado raus, hat der Kerl behauptet. So was aber auch, ständig diese Hektik. Habe ihm aber trotzdem noch ein paar passende Takte getrommelt.« Trude blickte so zufrieden drein wie eine alte Katze, die es auf die Anrichte mit der Sahneschale geschafft hatte. »Durch die Blume habe ich erklärt, dass er sich gefälligst zusammenreißen soll, so eine Chance bekommt er bestimmt nie wieder, schließlich verschlägt es keineswegs Wagenladungen voll mit alleinstehenden jungen Frauen nach Beekensiel. Und die meisten laufen ohnehin weg, sobald Mattes seinen speziellen Charme spielen lässt, den er von seiner Großmutter eins zu eins geerbt hat. Nur hat Adele ihre Garstigkeit früher durch ihre Schönheit wettgemacht, bei Mattes punktet höchstens sein Labrador mit den treuen Augen. Ich fand, das sollte er ruhig wissen, dann strengt er

Weitere Kostenlose Bücher