Das Geheimnis des Walfischknochens - Roman
Ruben trocken. »Entschuldige, ich wollte dir deine Neuigkeit nicht verderben, aber ich habe das neue Traumpaar der Insel bereits gesehen. In den letzten Tagen bin ich Ennenhof immer wieder einmal gefolgt, um herauszufinden, was er so treibt. Du weißt ja, was ich ihm versprochen habe.«
»Du … Du spionierst Ole Ennenhof hinterher?« Arjen konnte es kaum glauben. Das war also der Grund, warum er seinen Freund kaum noch zu sehen bekam.
»›Spionieren‹ klingt so abfällig, sagen wir lieber, dass ich eine interessante Studie über Ole Ennenhof betreibe – mit dem Ziel, seiner Anwesenheit auf dieser Insel ein Ende zu bereiten. Das einzige Interessante, das dabei bislang rausgekommen ist, betrifft seinen Vater oder vielmehr seine Geschäfte: Rasmus Ennenhof baut darauf, mit Jörg Claußens Hilfe den Hafen wieder aufzubauen. Wenn seine Träume wahr werden, verwandelt sich Beekensiel erneut in einen einzigen Fischereibetrieb, damit die Insel von der Familie Ennenhof abhängig bleibt. Aber dazu muss er seinen Kandidaten nicht bloß durchbekommen, sondern ihn sich auch gewogen halten.«
»Das ist ja alles sehr interessant, aber was genau hat das mit deiner Fehde mit Ole zu tun?«
Ein hartes Lächeln breitete sich auf Rubens Gesicht aus. »Hast du noch den Film, auf dem unsere Aufnahmen vom Walfischknochen sind?«
Verwirrt über diesen abrupten Themenwechsel nickte Arjen.
»Großartig. Kann ich mir den morgen Abend samt einiger der Abzüge bei dir abholen?«
»Das kannst du auch jetzt schon tun, ich habe nichts mehr vor, außer den Abend zu verbummeln.« Ruben leckte über seine Unterlippe, die geschwollen war, wie Arjen irritiert feststellte. Was ist nur los mit ihm?
»Nein, heute habe ich leider keine Zeit, das muss bis morgen warten.«
»Wie du meinst.«
Als Arjen bereits die Düne erklommen hatte, warf er einen Blick zurück auf die Kate, deren Tür bereits wieder verschlossen war. Hinter ihr lag ein Geheimnis, das er nicht begriff. Er ahnte, dass es nichts Greifbares war wie der Walfischknochen. Er wusste nur, dass sein Freund es ihm nicht verraten würde, ganz gleich wie sehr er ihn bedrängte. Um was auch immer es sich handeln mochte, es gehörte Ruben allein.
26
Nachdem Greta die frisch aufgeschriebenen Zeilen über das Sommerfest durchgegangen war, schloss sie das Notizbuch und blickte zum Fenster des alten Reetdachhauses hinaus. Sie hatte es sich in der Stube auf dem Sofa gemütlich gemacht, obwohl das heruntergekommene Möbelstück nicht gerade bequem war. Im Kofferraum des Coupés hatte sie eine Folie gefunden, die im Winter für die Wagenscheiben benutzt wurde und die sie nun zweckentfremdete, um die Feuchtigkeit des alten Polsters von sich fernzuhalten. Von Trude hatte sie sich Wolldecken ausgeliehen, und es war ihr sogar gelungen, im Ofen ein Feuer zu schüren. Beides war durchaus von Nöten, denn seit der letzten Nacht lag eine erste Ahnung von Frost in der Luft, die so schneidend klar war, dass man sie kaum einzuatmen vermochte. Umso froher war Greta, dass der Kaminschacht des Reetdachhauses sich nicht – wie befürchtet – zugesetzt hatte, sondern kräftig zog. Ansonsten wäre es ihr vor Kälte nicht einmal gelungen, mehr als den Anfang über das Sommerfest aufzuschreiben.
Greta hatte den Vortag mit Arjen verbracht, der im Gegensatz zu ihr in hervorragender Stimmung gewesen und zum Mittagessen sogar die Stufen ins Leileckerland hinabgestiegen war, obwohl er die Gabel überwiegend dazu benutzt hatte, den gebratenen Knurrhahn auf seinem Teller herumzuschieben, anstatt ihn zu essen. Als Anette mit Thomas Roder zu einem Verdauungsspaziergang aufgebrochen war, hatte Arjen seinen Stuhl vor den Kamin geschoben und bei einem Glas Wein vom Zustandekommen dieses erstaunlichen Festes erzählt. Die Worte, wie er an Rubens Seite aufblühte und immer mehr über den Mann herausfand, der er einst werden sollte, waren ihm leicht über die Lippen gekommen. Noch beim Aufschreiben hatte Greta den Verdacht gehabt, dass Arjen seiner Zeit mit Ruben jetzt deutlich näher war als noch zu Beginn ihrer Reise in seine Vergangenheit. Entweder hatten die erzählten Erinnerungen viele Blockaden gelöst, oder es lag daran, dass Arjen keine Angst mehr hatte – weder vor dem Ende seiner Geschichte mit Ruben, noch vor seinem eigenen.
»Und im Austausch für meine Erzählung möchte ich jetzt gern wissen, was mit dir los ist, dass du ins Leere blickst, sobald du dich unbeobachtet fühlst. So in dich gekehrt kenne ich dich
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