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Das Geheimnis des Walfischknochens - Roman

Das Geheimnis des Walfischknochens - Roman

Titel: Das Geheimnis des Walfischknochens - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tanja Heitmann
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Wahrheit sein Großvater war, nicht nach.« So zärtlich, wie man es von Adele niemals erwartet hätte, blickte sie ihren Enkel an. Es war Mattes vom Gesicht abzulesen, dass er gerade begriff, wie wichtig seine Reaktion für seine Großmutter gewesen war. Fast ein wenig erschrocken nickte er, um ihr zu versichern, dass sich zwischen ihnen nichts verändert hatte.
    »Ich habe nie daran gezweifelt, dass Ruben mich aufrichtig liebte, selbst als er ohne ein Wort des Abschieds plötzlich verschwand. Nach dem Krieg geschahen seltsame Dinge, und Rubens Vergangenheit war ein einziges Geheimnis. Ich nahm an, dass er aus einem mir unbekannten Grund hatte fliehen müssen. Als ich dann feststellte, dass ich in anderen Umständen war, und als Ruben monatelang nicht zurückkam, fügte ich mich meinem Schicksal. Ich sah damals keinen anderen Weg, als Ole Ennenhof zu heiraten. Vor allem da Ole kein Wort darüber verlor, dass das Kind unmöglich von ihm sein konnte. Er duldete uns beide, selbst als der Graben zwischen Rose und ihm unüberwindbar tief geworden war. Ich habe mich stets gefragt, warum ausgerechnet ein Mann wie Ole, ein raffgieriger Kleingeist, in dieser Hinsicht so viel Großmut an den Tag legte.«
    Greta warf ihrem Großvater einen fragenden Blick zu, denn wie es schien, wusste Adele nichts von Rubens Erpressungsabsichten, mit denen er Ole Ennenhof dazu bewegen wollte, die Verlobung aufzulösen. Und dementsprechend wusste sie auch nicht, dass ihr künftiger Ehemann über ihre Beziehung zu einem Flüchtling Bescheid gewusst hatte. Doch Arjens Aufmerksamkeit galt vollkommen Adele, in deren Gesicht gerade ein Lächeln aufleuchtete.
    »Bevor ihr gekommen seid, habe ich von Arjen erfahren, dass Ruben sich bereits als Junge in mich verliebt hatte. Erst jetzt erinnere ich mich vage an einen abgerissenen Burschen, der sich auffällig oft in meiner Nähe herumdrückte. Ich hatte ihn bemerkt, wenn auch nur flüchtig – und trotzdem ist diese Erinnerung wie ein Geschenk, schließlich hatten wir nur einen gemeinsamen Sommer.« Adele verstummte und schloss die Augen, ganz leicht, als würde sie der Bedeutung dieser Worte nachfühlen. Und in diesem Moment veränderte sich etwas: Ihre durch enorme Willensanstrengung aufrechte Haltung lockerte sich, die Anspannung wich aus den Schultern, während die Härte aus ihren Gesichtszügen verschwand. Es war, als zerbräche die feine Eisschicht, die sich mit Rubens Verschwinden um Adele gelegt hatte. »In all den Jahren hat es mich unendlich viel Kraft gekostet, meinen Glauben an diese Liebe aufrechtzuerhalten. Ich habe jedes Mal gelitten, wenn ich Ole Ennenhofs abschätzigen Blick spürte oder zusehen musste, wie meine Tochter Rose immer unglücklicher wurde, ohne dass ich etwas dagegen unternehmen konnte. Es gab Zeiten, in denen wollte ich Ruben dafür hassen, dass er jemals einen Fuß auf Beekensiel gesetzt hatte, denn als ich mich in ihn verliebt habe, habe ich mich verwandelt. Er hat einen Raum in mir geöffnet, von dem ich nicht einmal geahnt habe, dass er existierte. Jemanden auf diese Weise zu lieben verändert den Blick auf einen selbst und auf die Welt. Es ist wundervoll, das gemeinsam zu erleben, aber wenn einem der geliebte Mensch plötzlich verloren geht, wenn man von einem Tag auf den anderen alleingelassen wird mit diesen Gefühlen, dann ist es die Hölle. Vielleicht ist es kindisch, aber es macht mich glücklich zu wissen, dass Ruben sich schon als Junge in mich verliebte, als ich für solche Empfindungen noch gar nicht reif genug war. Und dann hat ihn das Leben ein zweites Mal nach Beekensiel zurückgebracht – nach einem schrecklichen Krieg und mitten in den Wirren der Nachkriegszeit –, sodass wir einen wunderbaren Sommer miteinander verbringen konnten. Es verleiht unserer Liebe etwas Unausweichliches, als seien wir von Anfang an füreinander bestimmt gewesen. Das Schicksalhafte lässt sich besser ertragen als ein grausamer Zufall. Für mich ist er nun nicht mehr einfach nur plötzlich verschwunden, ohne eine Nachricht oder gar eine Spur zu hinterlassen. Ich kann jetzt dankbar sein für die Zeit, die mir mit ihm geschenkt wurde. Meine Freude, aber auch der Schmerz erhalten dadurch endlich einen Sinn.«
    Arjen nickte bekräftigend. »Je länger ich darüber nachdenke, desto mehr sehe auch ich es so. Vor allem wenn ich mir vor Augen halte, dass diese Geschichte uns alle in diesem Herbst zusammengeführt hat. Nicht nur uns beide, Adele, sondern auch unsere beiden Enkel.

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