Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Geheimnis des Walfischknochens - Roman

Das Geheimnis des Walfischknochens - Roman

Titel: Das Geheimnis des Walfischknochens - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tanja Heitmann
Vom Netzwerk:
bei der Erinnerung an diese verlogenen Komplimente stieg eine Wut in Greta auf und pochte wie Gift in ihren Adern. Wenn sie nicht aufpasste, würde diese Wut ihren Neuanfang überschatten, deshalb war es an der Zeit, dieses Gespräch hinter sich zu bringen. »Leider bin ich für Erik keine tolle Frau, sondern lediglich ein exzentrisches Schmuckstück gewesen, das ihm einen Anstrich von Persönlichkeit verliehen hat. Nach dem Motto ›Mit einer solchen Frau kann ein nur ein ganz besonderer Kerl zusammen sein.‹ Und obendrein war ich noch das grüne Feigenblatt für sein Unternehmen! Nach außen ist Wind Tech der reinste Umweltverein mit seiner Spezialisierung auf Software für Windparks. Allerdings lässt sich das wirklich große Geld leider nur auf dreckige Weise verdienen, indem man die komplexe Steuerungssoftware modifiziert und sie Waffenproduzenten zur Verfügung stellt. Das ist natürlich legal, widerspricht aber in so ziemlich jeder Hinsicht den Idealen, für die Wind Tech steht. Der Aufbau eines Netzwerks zum Informationsaustausch für grüne Programmierer und die Öffentlichkeitsarbeit, die ich für Erics Unternehmen geleistet habe, das war im Prinzip alles nur Fassade. Das habe ich letzte Woche durch Zufall herausgefunden. Du kannst dir bestimmt vorstellen, was für ein Schock das für mich war. Erik hat in mir nicht die Partnerin fürs Leben gesehen – für ihn gründete unsere Beziehung nicht auf Liebe, sondern auf knallhart kalkulierten Vorteilen.«
    Schon bei Gretas letzten Sätzen hatte Wencke angefangen, ungläubig den Kopf zu schütteln. »Verflucht, Greta! Wie bescheuert bist du eigentlich? Erik ist ein toller Mann und hat dir obendrein auch noch einen Traumjob besorgt, bei dem du deinen überkandidelten Idealen frönen konntest. Und du servierst ihn ab wegen eines anrüchigen Geschäfts? Ich weiß ja nicht, was die Spinner und Ökos während deiner Berliner Zeit mit deinem Verstand angestellt haben, aber dir muss doch wohl klar sein, dass kein Unternehmer astrein sauber sein kann. Es wäre ja noch zu begreifen, wenn du deinem Arbeitgeber kündigst, weil du mit seinen Praktiken nicht einverstanden bist. Aber nur eine Idiotin würde eine Beziehung aufgeben, weil ihr Mann für ein volles Bankkonto sorgt. Und wirf mir jetzt ja nicht vor, raffgierig oder scheißspießig zu sein, denn hier geht es um gesunden Menschenverstand. Du gehst auf die dreißig zu, da kannst du dir dieses Revoluzzergelaber nicht mehr leisten. Werd endlich erwachsen.«
    »Ich bin erwachsen, aber ich bin eben nicht wie du«, erwiderte Greta so leise, dass es nach Wenckes Ausbruch fast wie ein Flüstern klang. »Es ist schade, dass du meinen Standpunkt nicht nachvollziehen kannst, Wencke, obwohl ich durchaus damit gerechnet habe. Ich will dich nicht vor den Kopf stoßen, aber ich muss langsam meine Sachen sortiert bekommen. Arjen möchte am liebsten schon morgen aufbrechen, und mir ist mittlerweile auch danach zumute.«
    Eine Weile stand Wencke noch reglos da, unentschieden, ob es noch zu früh für die Entschuldigung war, die stets auf ihre Ausbrüche folgte. Unter anderen Umständen hätte Greta ihr signalisiert, dass es schon wieder gut sei, nur fehlte ihr jetzt schlicht die Kraft, um weiter mit Wencke zu reden. Sie würden nur ein anderes Thema zum Streiten finden. Als ihre Schwester schließlich sagte, sie würde nach Anette sehen, nickte Greta bloß geistesabwesend und verstaute ein bislang unbenutztes Notizbuch, in dessen Umschlag man eine Fotografie oder Zeichnung als Deckblatt stecken konnte, in ihrer Reisetasche.
    Kaum war Wencke zur Tür hinaus, holte sie das Notizbuch wieder hervor und sah es nachdenklich an. Warum widerstrebte es ihr, es in einem der Kartons zu verstauen, die in den Keller sollten?
    Während sie es noch in den Händen wog, kam ihr plötzlich eine Idee, und sie durchforstete den Wohnzimmerschrank so lange nach alten Fotoalben, bis sie die abgegriffene Aufnahme von Arjen als Jungen gefunden hatte. Vorsichtig löste sie das Foto aus dem Album und fuhr mit den Fingern über den welligen Rand. Dieses Kindergesicht hatte sie nie zuvor mit ihrem Großvater in Verbindung gebracht. Nach diesem Morgen sah sie es jedoch mit anderen Augen, denn das war eindeutig der Junge namens Arjen, von dem er ihr erzählt hatte. Das schüchterne Lächeln passte genau wie das rundliche Gesicht und der erwartungsfrohe und zugleich besorgte Ausdruck.
    Als würde Greta einen Schatz in den Händen halten, schob sie die Fotografie

Weitere Kostenlose Bücher