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Das Geheimnis des Walfischknochens - Roman

Das Geheimnis des Walfischknochens - Roman

Titel: Das Geheimnis des Walfischknochens - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tanja Heitmann
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unter die Schutzfolie auf dem Umschlag des Notizbuchs. Sie würde Arjen während ihrer Küstenreise nicht nur dazu überreden, mehr über seine Kindheit in Beekensiel zu erzählen, sie würde alles aufschreiben, passende Fotos und Zeichnungen einfügen und ihm das Buch am Ende ihrer Reise schenken, damit er ein Stück von sich selbst zurückerlangte, von dem die Zeit ihn getrennt hatte.

8
    Am nächsten Tag gelang ihnen tatsächlich die Abreise in Arjens betagtem Mercedes SL Coupé. Sie ließen das Frühstück aus und verstauten ihre Gepäckstücke schneller im Auto, als Anette einen Versuch starten konnte, ihren Schwiegervater umzustimmen oder Greta zur Vernunft zu bringen. Arjen hauchte seiner Schwiegertochter einen Kuss auf die Wange und setzte sich, erstaunlich gelenkig für einen Mann seines Alters, in den tiefliegenden Wagen. Und Greta sah schleunigst zu, dass sie es ihrem Großvater nachmachte.
    »Mach’s gut, Mama. Wir melden uns ab und zu, damit du weißt, wohin es uns verschlägt. Mach dir keine Sorgen, alles ist bestens.«
    »Ihr könnt doch nicht einfach …« Anette schnappte nach Luft wie ein Fisch auf dem Trockenen.
    »Der Schlüssel steckt, also gib Gas, Mädchen. Ansonsten wirft sich Anette noch auf die Kühlerhaube, um uns aufzuhalten.«
    In ihrer Aufregung begriff Greta jetzt erst, dass sie auf dem Fahrersitz saß. Oh, nein . Dann schob sie ihre Beklemmung beiseite und ließ den Motor an, der ihr mit einem tiefen, Vertrauen erweckenden Brummen antwortete. Kaum berührte sie das Gaspedal, machte der Wagen einen Sprung nach vorne, und sie konnte Anette aufschreien hören. Erst als sie die Asmussengasse hinter sich gelassen hatten, entspannten sie sich beide merklich, Arjen stieß sogar ein heiseres Lachen aus.
    »Flucht geglückt.« Greta meinte das wortwörtlich. Die halbe Nacht lang hatte sie sich Schreckensszenarien über ihren Abschied ausgemalt. »Wie gut, dass keiner von uns beiden ein Handy besitzt, sonsten hätten wir Anette gewiss im Halbstundentakt an der Strippe. Soll ich an den Straßenrand fahren, damit du das Steuer übernehmen kannst? Du willst doch bestimmt fahren.« Arjen war ein leidenschaftlicher Autofahrer, dem es nie etwas ausgemacht hatte, weite Strecken zu seinen Patienten zurückzulegen. Noch nie hatte Greta ihn auf dem Beifahrersitz gesehen.
    »Wollen schon, aber seit meiner Nachuntersuchung nehme ich ein neues Medikament, das sich leider ungünstig auf mein Reaktionsvermögen auswirkt. Und ein wenig Fahrpraxis schadet dir bestimmt nicht«, sagte Arjen, als Greta ein ganzes Stück entfernt von einer soeben auf Gelb gesprungenen Ampel mit quietschenden Reifen anhielt.
    »Was ist das denn für ein neues Medikament?«
    »Ich möchte dich nicht belehren, aber dieser Wagen hat schon ein paar Jahre und noch mehr Kilometer auf dem Buckel. Wenn du ihm – und mir – einen Gefallen tun willst, dann fahr ihn bitte sanfter. Dieses Liebhaberstück ist ein braves Auto, man muss es nicht treten, damit es sein Bestes gibt.«
    Wohlweislich verkniff Greta sich den Kommentar, dass eine Reise mit dem Zug ohnehin viel komfortabler wäre als mit diesem alten Schätzchen. Sie wusste allerdings nur allzu gut, was ihr Großvater von öffentlichen Verkehrsmitteln hielt: Mit solchen Transportmitteln schlugen sich ausschließlich Menschen herum, die über kein eigenes Fahrzeug verfügten. In dieser Hinsicht war Arjen ein Snob.
    »Ich werde mich um Gelassenheit beim Fahren bemühen, versprochen. Und was ist das nun für ein Medikament, das dich von deinem heißgeliebten Steuerrad fernhält?«
    Arjen ordnete mit der Hand sein weißes Haar, das an den Schläfen nun doch noch schütter zu werden begann. »Ach, nichts Spektakuläres. In meinem Alter folgt ein Medikament auf das andere, bei mir ersetzen die Pillen und Tabletten schon fast das Frühstück. Du musst dir aber keine Sorgen machen, abgesehen von dieser Einschränkung habe ich nur Probleme mit meinem Appetit, und mir geht früher als sonst die Puste aus. Ich bin alt, Greta, daran lässt sich nichts ändern. Es wäre schön, wenn wir beide nicht allzu viel darauf geben würden und stattdessen unsere Reise in vollen Zügen genießen. Wenn du den Weg in Richtung Heiligen hafen einschlägst, kann ich dich zum Mittagessen in ein wunderbares kleines Restaurant ausführen. Vielleicht wecken die Erinnerungen an frühere Besuche ja meinen Hunger. Was meinst du?«
    Entgegen Arjens ursprünglicher Aussage, es ziehe ihn vor allem auf die Nordseite der

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