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Das Geheimnis des Walfischknochens - Roman

Das Geheimnis des Walfischknochens - Roman

Titel: Das Geheimnis des Walfischknochens - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tanja Heitmann
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Ruben nannte. Dieser Junge hat Arjen sehr viel bedeutet, diese Freundschaft hat seiner Kindheit auf Beekensiel eine Bedeutung gegeben, denn nach dem Tod seiner Mutter war er sehr einsam, alles schien ihm eintönig und leer. Am Ende des Sommers ist Ruben vermutlich ins Kinderheim abgeschoben worden. Ich bin mir nicht sicher, was danach genau passiert ist … Mein Großvater hat lediglich angedeutet, dass der Junge später noch einmal wiederkam. Ich werde den Verdacht nicht los, dass die Geschichte ab hier noch lange nicht vorbei war. Leider hat der kleine Rumtreiber wohl nicht viel über sich verraten, nur dass sein Vater gut ein Jahr zuvor von den Nazis verschleppt und in ein Lager gebracht worden war. Vielleicht täusche ich mich, aber es klang nicht so, als habe es in seiner Familie einen jüdischen Hintergrund gegeben, obwohl man vom Namen her durchaus darauf tippen könnte – falls er sich den nicht selbst gegeben hat.«
    »Bist du dir sicher, dass du das ausschließen kannst?« Mattes folgte dem Themenwechsel ohne Zögern.
    Greta bemühte sich, den genauen Wortlaut ihres Großvaters zu erinnern. »Ausdrücklich gesagt hat es der Junge wohl nicht, aber an einem Tag war mein Großvater mit Ruben im Meer schwimmen, und da hat er gesehen, dass er nicht beschnitten war. Oder glaubst du, der Vater wäre jüdischen Glaubens gewesen, der Sohn jedoch nicht? Von einer Mutter hat Ruben leider nie etwas erwähnt.«
    Bevor Mattes antwortete, schenkte er Greta Wein nach. In ihrer Aufregung hatte sie ihr Glas bereits geleert, während seines immer noch halbvoll war. »Denkbar ist es, aber eher unwahrscheinlich.«
    »Ruben hat eine Heldengeschichte um das Verschwinden seines Vaters gesponnen, in der sein Vater der Hüter eines großen Geheimnisses war. Danach haben die beiden unter abenteuerlichen Umständen inkognito gelebt, bis der Vater bei Nacht und Nebel von Nazischergen entführt wurde. Was auch immer in Wirklichkeit passiert ist, es muss ungefähr ein Jahr zuvor geschehen sein. Seitdem war der Junge auf sich selbst gestellt.«
    Mit einer kraftvollen Bewegung stand Mattes auf und verschwand im Flur, von wo er mit einem Buch wiederkehrte. »Vermutlich könnte man ganz schnell im Internet herausfinden, wer den Verschleppungen damals alles zum Opfer gefallen ist, aber ich bin nicht so für diesen Computerkram zu haben. Dafür habe ich das hier.« Er legte ein dickes Buch auf den Tisch. Greta sah, dass es eine Geschichte des Nationalsozialismus war.
    »Der Einband sieht aus, als hättest du dieses Mammutwerk wirklich gelesen«, stellte Greta erstaunt fest. »Dieses Thema muss dich ziemlich beschäftigt haben.«
    Mattes fuhr sich durchs eh schon zerzauste Haar. »Ich habe es zumindest versucht, aber an manchen Stellen wurde es mir einfach zu viel. In meiner Familie war damals niemand Parteimitglied, davon haben wir Ennenhofs uns zum Glück ferngehalten. Aber mein Großvater und der alte Rasmus sympathisierten durchaus mit den Ideen der Nationalsozialisten, vor allem was die ›Blut und Boden‹-Ideologie anbelangt. Es passte eben zur Ennenhof’schen Einstellung, dass Beekensiel ein Ort der Fischerei bleiben sollte, weil dadurch die alten Traditionen am ehsten erhalten blieben. Dein Großvater hatte ja etwas in diese Richtung angedeutet … Dass die Ennenhofs sich dagegen gewehrt haben, dass ihre Insel eine Touristenattraktion wird. Seine Anspielung, dass meine Familie in Wahrheit die Nazis benutzt hat, um sich selbst in die Tasche zu arbeiten, stimmt allerdings nicht. Das ist sogar eine ziemlich heftige Unterstellung, für die es nicht den geringsten Beweis gibt. Unter anderen Umständen hätte ich das nicht einfach so auf mir sitzen lassen, vor allem weil diese Gerüchte bei uns in der Familie großen Schaden angerichtet haben. Rose, meine Mutter, war labil und eher freigeistig veranlagt, sie fühlte sich zeit ihres Lebens wie ein Fremdkörper in dieser Familie. Nachdem mein Vater, Conrad Hayden, sich noch vor meiner Geburt von ihr getrennt hatte, ging es ihr zunehmend schlechter. Und irgendwann hat sie dann den – ihrer Meinung nach – Schuldigen gefunden: ihre eigene Familie. Die Ennenhofs würden die ganze Insel vergiften, hat sie behauptet, und als Beleg dafür hat sie diese alten Gerüchte wieder aufleben lassen. Das muss eine schwere Zeit für alle gewesen sein. Vor allem meine Großmutter Adele hat wohl sehr gelitten, weil Rose sich ihr entzog. Als eingeheiratete Ennenhof hat Adele genauso unter Verdacht gestanden,

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