Das Geheimnis des Walfischknochens - Roman
Stimme. Mir passt es aber gerade nicht , hielt Greta dagegen. Dabei wollte sie gar nicht leugnen, dass es zwischen Mattes und ihr auf einer tiefer gehenden Ebene eine Verbindung gab – doch ihre Leben waren einfach zu unterschiedlich. Außerdem beunruhigte sie die Intensität, mit der sie auf diesen Mann reagierte, und es verunsicherte sie auch, dass ihre Wege sich mehrmals gekreuzt hatten, seit Arjen angefangen hatte, ihr vom Walfischknochen zu erzählen.
Das kommt dabei heraus, wenn man sich Geschichten von zwölfjährigen Jungen über das Schicksal in den Kopf setzen lässt , spottete Greta über sich selbst. Sobald du alles über Ruben herausgefunden hast, bittest du Mattes, dir bei der Suche nach dem Walfischknochen zu helfen, damit du dein Schicksal mit seinem auf zauberhafte Weise zusammenführen kannst. Falls das nicht ohnehin schon der Fall ist … Der Spott half jedoch nicht, Greta beobachtete Mattes genauso aus den Augenwinkeln wie er sie, und vermutlich lag in ihren Mundwinkeln dabei das gleiche Lächeln. Sie dachte an seine klar geschwungenen Brauen und an die Form seiner Nase, die sich vom breiten Sattel zur Spitze hin verjüngte – obwohl sie eigentlich wenig Wert auf Äußerlichkeiten legte. Und trotzdem würde sie sein Gesicht sogar mit geschlossenen Augen bis ins Detail sehen, als habe sein Anblick sich auf ihrer Netzhaut eingeprägt …
»Fällt dir eine Besonderheit ein, um die Lage des Unterschlupfs besser einschätzen zu können?«, fragte Mattes, nachdem sie den Wald betreten hatten. Der Boden unter ihren Füßen war von Dünengras bedeckt, das Sturm und Regen niedergedrückt hatten. Es fühlte sich an, als würde man schweben, so gedämpft war jeder Tritt. Die Birken leuchteten in einem satten Gelbton, doch kaum fiel ein Sonnenstrahl auf sie, verblassten sie zu flirrendem Weißgold. Durch die zierlichen Blätter und die weißen, schlanken Stämme sahen die Bäume wie Kunstwerke aus.
Greta durchsuchte ihr Gedächtnis. »Nur so viel, dass die Hütte auf einer Lichtung lag, die wohl von außen nicht einsehbar war. Arjen war damals ziemlich verblüfft, als er plötzlich vor ihr stand. Hinrichs wird schon dafür gesorgt haben, dass kein Beekensieler durch Zufall über seinen Unterschlupf stolperte, schließlich ging es ihm ja um die Abgeschiedenheit.«
»Eine Lichtung also. Das ist nicht viel, die könnte mittlerweile bereits zugewuchert sein. Wir sollten uns von der Mittelachse des Wäldchens einmal durchschlagen. Die Ränder wird er ja gewiss gemieden haben.« Mattes hielt einen Moment lang inne, und Greta befürchtete, er könnte vorschlagen, dass sie sich trennten, um ihre Chancen zu erhöhen. Falls ihm der Gedanke gekommen war, behielt er ihn für sich. »Nach Osten hin steigt die Insel noch einmal an, ich tippe deshalb drauf, dass Hinrichs sich eher in diesem Bereich niedergelassen hat, denn er musste ja ans Trinkwasser rankommen. Ich habe heute Morgen übrigens kurz mit meiner Großmutter geredet. Sie konnte sich verschwommen an Peer Hinrichs erinnern. Sie sagt, er habe als Sonderling gegolten und sich auf seine bärbeißige Art wohl mit einigen Insulanern angelegt.«
»Unter anderem mit den Ennenhofs, wenn ich mich richtig an Arjens Worte erinnere«, fügte Greta hinzu.
Mattes warf ihr einen abmessenden Blick zu. »Das stimmt sicher. Selbst wenn dein Großvater nichts davon erwähnt hätte, wäre es wahrscheinlich gewesen. Meine Familie versuchte, den Fischhandel auf Beekensiel in geordnete Bahnen zu lenken. Ein Peer Hinrichs, der unbedingt seinen eignen Weg gehen will, war meinem Urgroßvater mit Sicherheit ein Dorn im Auge.«
»Das klingt fast so, als würdest du die strikte Haltung deiner Familie gutheißen.« Die Vorstellung löste eine ungeahnte Sorge in Greta aus. Vielleicht hatte sie sich in ihrer Verbundenheit zu Mattes getäuscht …
»Nun, du bist eine Rosenboom. Von deinem Urgroßvater Thaisen hieß es, dass er ziemlich aus der Haut fahren konnte, obwohl er ansonsten ein eher weltabgewandter Mann voller Ideale war. Findest du dich in dieser Beschreibung wieder?« Da Greta nicht gleich antwortete, grinste Mattes schief. »Ich denke, dein Auftritt mit Großvater Arjens Mercedes in der engen Gasse steht für sich. Und dann die Sticheleien, weil ich mein Geld mit Fischerei verdiene …«
»Ist ja schon gut, ich habe verstanden«, unterbrach ihn Greta. »Es ist nur … Du kommst mir nicht wie ein typischer Ennenhof vor.«
Mattes zuckte mit der Schulter. »In Beekensiel
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