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Das Geheimnis des weißen Bandes

Das Geheimnis des weißen Bandes

Titel: Das Geheimnis des weißen Bandes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anthony Horowitz
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beanspruchen.« Holmes wandte sich zur Tür, dann schien er seine Meinung noch einmal zu ändern. »Das heißt, ehe wir gehen, könnten Sie uns vielleicht noch etwas über Ihre Arbeit erzählen. Ist Chorley Grange Ihr persönliches Eigentum?«
    »Nein, Sir. Ganz im Gegenteil. Meine Frau und ich sind Angestellte der Society for the Improvement of London’s Children, einer Gesellschaft, die sich um arme Straßenkinder kümmert.« Der Reverend wies auf ein Porträt an der Wand, das einen aristokratischen Gentleman zeigte, der sich elegisch an eine Säule lehnte. »Das ist der inzwischen verstorbene Gründer unserer Gesellschaft, Crispin Ogilvy. Er hat vor fünfzig Jahren diese Farm gekauft, und dank seiner großzügigen Stiftung sind wir in der Lage, sie zu betreiben. Wir haben fünfunddreißig Schüler hier, die alle in London von der Straße geholt und auf diese Weise vor dem Gefängnis oder Schlimmerem bewahrt wurden. Wir geben ihnen Nahrung und Unterkunft, und, was noch wichtiger ist, eine gute christliche Erziehung. Sie lernen lesen, schreiben und rechnen, außerdem schreinern, schneidern und Schuhmacherei. Sie haben sicher die Felder gesehen. Wir besitzen hundert Morgen und bauen fast all unsere Nahrungsmittel selbst an. Die Jungen lernen Schweine- und Geflügelzucht, und wenn sie mit ihrer Ausbildung fertig sind, gehen viele nach Kanada, Australien oder Amerika, um dort ein neues Leben zu beginnen. Wir haben Kontakte zu zahlreichen Farmern in Übersee, die sie gern nehmen und ihnen beim Start helfen.«
    »Wie viele Lehrer haben Sie hier?«
    »Außer meiner Frau sind wir nur zu viert und teilen uns alle Aufgaben. Mr. Vosper haben Sie ja schon an der Tür kennengelernt, die beiden anderen Lehrer sind gerade beim Nachmittagsunterricht.«
    »Wie ist Ross denn hierhergekommen?«
    »Wahrscheinlich ist er in einem der Nachtasyle oder Wohnheime aufgegriffen worden. Die Gesellschaft hat Freiwillige, die in der Stadt arbeiten und die Kinder zu uns bringen. Ich kann natürlich Erkundigungen einziehen, wenn Sie es möchten, aber es ist jetzt schon lange her, dass wir etwas von ihm gehört haben, und ich bezweifle, dass wir Ihnen irgendwie helfen können.«
    »Wir können die Jungen nicht zwingen, bei uns zu bleiben«, sagte Mrs. Fitzsimmons. »Die große Mehrheit bleibt gern und wächst zu nützlichen Menschen heran, auf die unsere Schule sehr stolz sein kann. Aber gelegentlich gibt es Störenfriede, Jungen, die einfach undankbar sind.«
    »Wir müssen an jedes Kind glauben, Joanna.«
    »Du bist viel zu weichherzig, Charles. Diese Burschen nutzen dich aus.«
    »Ross konnte doch nichts dafür. Sein Vater war ein Schlachter, der sich bei einem kranken Schaf angesteckt hat und qualvoll gestorben ist. Seine Mutter wurde Alkoholikerin. Sie ist ebenfalls schon lange tot. Eine Zeitlang hat eine ältere Schwester sich um ihn gekümmert, was aus der geworden ist, wissen wir nicht. Ah ja! Jetzt erinnere ich mich. Sie hatten gefragt, wie er hergekommen ist. Er wurde bei einem Ladendiebstahl ertappt. Der Richter hatte Mitleid mit ihm und hat ihn zu uns geschickt.«
    »Es war seine letzte Chance.« Mrs. Fitzsimmons schüttelte den Kopf. »Mir schaudert bei dem Gedanken, was jetzt aus ihm werden wird.«
    »Sie haben also keinerlei Idee, wo wir ihn finden könnten?«
    »Es tut mir leid, dass wir Ihre Zeit verschwendet haben, Mr. Holmes. Wir haben nicht die Mittel, um nach den Jungen zu suchen, die es vorziehen, uns zu verlassen, und, ehrlich gesagt, wozu soll es auch nutzen? Ihr habt mich verlassen, darum habe ich euch auch verlassen. Können Sie uns sagen, was er gesehen hat und warum es so wichtig für Sie ist, ihn zu finden?«
    »Wir glauben, dass er in großer Gefahr ist.«
    »All diese obdachlosen Kinder sind in Gefahr.« Fitzsimmons schlug die Hände zusammen, als hätte er plötzlich eine Idee. »Vielleicht hilft es Ihnen ja, mit einigen seiner früheren Klassenkameraden zu sprechen? Es könnte ja sein, dass er einem von denen etwas erzählt hat, was er uns lieber nicht sagen wollte. Und wenn Sie mich begleiten wollen, kann ich Ihnen auch noch mehr über unsere Schule und unsere Prinzipien erzählen.«
    »Das wäre sehr freundlich von Ihnen, Mr. Fitzsimmons.«
    »Es wäre mir ein Vergnügen.«
    Wir verließen das Arbeitszimmer. Mrs. Fitzsimmons begleitete uns nicht, sondern blieb in ihrer Ecke und vergrub den Kopf in ihrem gewichtigen Buch.
    »Sie müssen meine Frau entschuldigen«, murmelte der Reverend. »Sie halten sie

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