Das Geheimnis meiner Mutter
Lippen. Ein weiterer Tipp aus der Seventeen .
„Äh, ja“, sagte er ganz zauberhaft nervös. „Was das angeht. Wir werden zurückkommen. Als Betreuer, meine ich. Mr Bellamy hat uns beide eingeladen, den nächsten Sommer über hier zu arbeiten, wenn wir wollen.“
Oh. Vielleicht war das ihr Zeichen, von ihm abzulassen. Was sie aber nicht tat. Allerdings war er so unglaublich schwer von Begriff, dass sie nicht wusste, wie sie weitermachen sollte. Also packte sie ihn einfach und umarmte ihn. „Ich bin so froh, Rourke. Ich bin froh, dass du zurückkommst.“
Einen magischen Moment lang, vielleicht für die Dauer eines Herzschlags, erwiderte er ihre Umarmung, und in diesem Bruchteil einer Sekunde schwebte sie im Himmel. Dann verspannte er sich und schob sie von sich.
„Wie auch immer“, sagte er, als wäre nichts passiert. „Ich bin mir sicher, dass mein Vater ausflippen und es mir verbieten wird. Er wird sicher wollen, dass ich meine Zeit produktiver verwende, wie er es nennt.“
„Soll das heißen, dass du doch nicht zurückkommst?“
„Nein. Es soll nur heißen, dass ich kämpfen muss, um mich durchzusetzen. Aber das muss ich ja immer.“
„Streitest du dich oft mit deinem Vater?“, wollte sie wissen.
Er zuckte die Achseln. „Ich versuche, mir meine Schlachten selber auszusuchen. Er ist ein ziemlich fieses Arschloch.“
„Was meinst du mit fies?“
„Wie viele Arten von fies gibt es denn?“
Sie nahm an, dass das eine rhetorische Frage war. Sie versuchte, ihren Eindruck der McKnights zu korrigieren. Wie jeder andere auch hatte sie gedacht, dass sie das Paradebeispiel des amerikanischen Traums seien. „Du hast Glück, überhaupt einen Dad zu haben“, sagte sie.
„Klar.“ Er schnaubte verächtlich.
„Manchmal sehne ich mich so sehr nach einem Vater, dass ich sogar einen fiesen nehmen würde.“
„Dann bist du verrückt.“
„Bin ich nicht. Ich bin mal von einem Hund gebissen worden“, sagte sie. „Und später hat sich herausgestellt, dass der nur böse geworden ist, weil er misshandelt worden war.“
„Ein Hund weiß es ja auch nicht besser.“
„Ich meine ja nur, dass es vielleicht einen Grund gibt. Wenn Leute verletzt werden, werden sie fies.“ Oder sie drehen sich um und laufen davon. Vielleicht war genau das ihrer Mutter passiert.
Er schaute sie an, und in seinen Augen blitzte kurz die Wut auf, die er nur manchmal zeigte und die ihr ein wenig Angst machte. Pech gehabt, dachte sie. Ich mache keinen Rückzieher. „Wie sind wir überhaupt auf dieses Thema gekommen?“, fragte sie. „Ich wollte doch nur …“ Sie zögerte. Konnte sie es laut aussprechen? Konnte sie es ihm sagen? „Ich wollte nur, dass du mich küsst. Das will ich immer noch.“
Er stieß einen Laut aus, der beinahe einem Stöhnen glich. „Nein“, sagte er. „Das willst du nicht.“ Dann ging er mit steifen Schritten davon und verschwand mit gestrafften Schultern im Regen.
Jenny fühlte sich dumm. Tränen verschleierten ihren Blick. Sie hasste Rourke McKnight. Sie würde ihn für immer hassen. Mit diesem Gedanken wartete sie darauf, dass der Regen aufhörte, und ging dann, um ihrem Großvater zu helfen. Gerade als sie mit der Auslieferung fertig waren, kam die Sonne heraus und ein Regenbogen wölbte sich über dem Willow Lake.
Sie ging um den Lieferwagen herum zur Beifahrerseite, und da stand Joey Santini und erwartete sie mit einem breiten Lächeln. Sie sprachen ein paar Minuten miteinander und lachten über alles und nichts. Dann stellte sie ihn ihrem Großvater vor.
Grandpa strahlte übers ganze Gesicht, als Joey ihm die Hand schüttelte und all die richtigen Dinge sagte, zum Beispiel, wie sehr er Grannys Ahornriegel mochte.
Dem Himmel sei Dank für Joey. Bei ihm fühlte sie sich so zufrieden und wertgeschätzt und war nicht ständig kurz davor zu explodieren. Sie fühlte sich bei ihm wohl und nicht unbehaglich oder dumm. Er weckte in ihr auch nie den Wunsch zu weinen.
Am nächsten Abend gingen sie und Nina zum Camp Kioga hinauf, um das Feuerwerk zum Vierten Juli anzusehen, das am Ufer des Willow Lake stattfand. An diesem Abend wagte Joey den ersten Schritt. Sie saßen inmitten einer Gruppe Jugendlicher auf einer Decke am Ufer, und er drückte seine Schulter gegen ihre und lehnte sich zu ihr, um ihr etwas ins Ohr zu flüstern. „Ich möchte, dass du meine Freundin bist“, sagte er.
Jenny wusste nicht, was sie sagen sollte. Sie wusste nicht, ob sie es wollte oder nicht. Und noch während Joey
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