Das Geheimnis meiner Mutter
gerade darum bitten, sich näher zu erklären, als Laura die Treppe aus dem über dem Laden liegenden Büro herunterkam.
„Ich habe gehört, dass du hier bist“, sagte sie. „Hi Rourke“, begrüßte sie den Polizeichef und drehte sich dann zu Philip Bellamy um. „Hallo.“
Philip erhob sich und schüttelte ihr höflich die Hand. „Laura. Es ist verdammt lang her.“
Rourke schob seinen Stuhl vom Tisch zurück. „Ich muss jetzt los. Es gibt noch ein paar Dinge, um die ich mich kümmern muss.“
Vielleicht stimmte das, vielleicht auch nicht. Jenny konnte nicht sagen, ob er die Wahrheit sagte oder nur einen höflichen Rückzieher machte.
Er schob Laura den Stuhl hin, die sich dankbar setzte.
Geh nicht, dachte Jenny. Bring zu Ende, was du angefangen hast. Worüber wolltest du mit mir reden?
„Wir sehen uns später“, sagte Rourke. „Schön, Sie wiedergesehen zu haben“, fügte er an Philip gewandt hinzu.
„Hab ich irgendetwas Falsches gesagt?“ Philip schaute ihm nachdenklich hinterher.
„Er hat einfach nur viel zu tun“, erwiderte Jenny.
„Hat er schon herausgefunden, was den Brand verursacht hat?“, fragte Philip.
„Die Ermittler arbeiten noch daran“, erklärte sie. „Es war ein altes Haus. Ich gehe davon aus, dass es an einem fehlerhaften Kabel gelegen hat.“ Sie beschäftigte sich damit, den Tisch neu zu decken. „Ist das dein erster Besuch in der Bäckerei?“, fragte sie.
Er und Laura tauschten einen Blick.
„Der erste seit langer Zeit“, antwortete er.
„Du warst schon mal hier“, sagte sie. Ein Schauer überlief sie.
„Jeder, der nach Avalon kommt, besucht die Sky River Bakery.“
In dem Moment sah Jenny diesen Ausdruck auf Lauras Gesicht. „Ihr zwei habt euch … damals gekannt?“
Laura nickte nur. „Ich bin schon mein ganzes Leben hier. Ich kenne die Bellamys, einschließlich Philip.“
Philip schaute sich im Café um. Die Skifahrer zogen sich wieder an, bereit, auf die Pisten zurückzukehren. Matthew Alger hatte seinen Kaffee ausgetrunken und das Kreuzworträtsel gelöst und war ebenfalls im Begriff zu gehen.
„Mein Gott“, sagte Philip. „Ist das der, von dem ich denke, dass er es ist?“
„Ihn kennst du auch?“, fragte Jenny erstaunt.
„Ich kannte ihn vor langer Zeit.“ Philip stand auf und ging zu Alger hinüber. „Ich habe dich sofort wiedererkannt.“
Sie schüttelten sich die Hand, aber in dem Handschlag war offensichtlich keinerlei Wärme. Alger hatte so eine jungenhafte Art, die ihn viel jünger aussehen ließ, als er war. Sein Haar war blond und perfekt geschnitten, mit anrasiertem Nacken. Er war ein bisschen kleiner als Philip und nicht so gut gebaut, aber er hatte trotzdem eine gewisse Präsenz. Er grüßte Philip höflich, aber distanziert, und kam dann zu Jennys Tisch herüber.
„Was machen die Untersuchungen der Brandursache?“, fragte er.
„Das Bergungsteam ist gerade fertig geworden.“ Sein Interesse überraschte sie.
„So schnell?“
„Es gab nicht viel zu bergen“, erwiderte Jenny.
„Zachary hat mir erzählt, dass du dir eine Weile freinimmst.“
„Das stimmt. Zumindest versuche ich es. Ich werde hin-und hergerissen zwischen meiner Arbeit in der Bäckerei und der Notwendigkeit, mich um die Abwicklung des Feuerschadens zu kümmern.“
„Ich hoffe, dass du ein paar der unersetzlichen Familienschätze sichern konntest.“
Der Kommentar überraschte sie. Mitgefühl von Matthew Alger? „Das hoffe ich auch, danke.“
Nachdem er gegangen war, gaben sie und Laura Philip eine kleine Führung durch die Bäckerei. „Es hat alles mit dem Roggenbrot meiner Großmutter angefangen“, erklärte Jenny. „Aber das weißt du vielleicht schon.“
Er schüttelte den Kopf. „Mariska hat mir nicht viel über den Familienbetrieb erzählt.“
Aber was hat sie dir erzählt? fragte sich Jenny. Dass sie es hier hasst und weglaufen will? Dass ein Kind zu haben nicht genug ist, um sie hierzuhalten? Sie rief sich in Erinnerung, dass Philip keine Schuld an den Entscheidungen ihrer Mutter traf.
„Granny hat mit dem Brotbacken in der Küche angefangen“, fuhr sie in neutralem Ton fort. „Mein Großvater lieferte die Brote dann von Haustür zu Haustür aus. Irgendwann sind sie in dieses Gebäude gezogen. Das Café wurde vor ungefähr dreißig Jahren eröffnet. Ich bin quasi hier aufgewachsen.“
„Sie war einfach hinreißend“, warf Laura ein. „Der Liebling aller.“
„Das überrascht mich nicht.“ Kummer lag in seinem Blick.
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