Das Geheimnis meiner Mutter
Zumindest hatte Nina eine Mom. Eine Mom, die ihr vermutlich für den Rest des Lebens Hausarrest aufbrummen würde, wenn Nina ihr beichtete, dass sie schwanger war.
Die Jungen waren still. Joey starrte aus dem Fenster. Rourke blickte mit finsterer Miene auf die Straße. Sie konnte seine konzentriert gerunzelte Stirn im Rückspiegel sehen. Wie immer waren Rourke und Joey so gegensätzlich, wie man nur sein konnte. Kein Wunder, dass sie überall als Bill und Ted bekannt waren, nach dem albernen Film über zwei liebenswerte Deppen, die dicke Freunde waren. Rourke war der blonde, sonnengebräunte Surfer, während Joeys schwarze Haare, dunkle Augen und volle Lippen sie an Keanu Reeves erinnerten.
Rourke schaute in den Rückspiegel und ertappte sie dabei, dass sie ihn anschaute. Peinlich berührt rutschte sie auf ihrem Sitz herum und schaute schnell mit gespieltem Interesse aus dem Fenster. Sie musste in Rourkes Gegenwart vorsichtig sein, denn auch wenn er schwor, dass Joey sie zu seiner Freundin haben wollte, war sie komplett und rettungslos in Rourke verknallt. Und zwar seit dem ersten Tag, an dem sie sich getroffen hatten und er die anderen Jungen verprügelt hatte, um sie zu beschützen.
Sie fragte sich, ob sie sich jemals an seinen Anblick gewöhnen würde. Sehr unwahrscheinlich. Jeden Sommer war es das Gleiche. Kioga öffnete die Tore, und sie half ihrem Großvater beim Ausliefern der Waren aus der Bäckerei. Zum Camp hinaufzufahren war, wie in eine fremde Welt einzutreten, auf einen idyllischen Planeten aus der Vergangenheit. Sie staunte immer über die Leute, die das Camp besuchten. Sie erinnerten sie an eine Geschichte von F. Scott Fitzgerald – der Pflichtlektüre in der Schule war, aber außerdem ein ausgezeichneter Autor. „Die Reichen sind anders.“ Sosehr sie sich wünschte, es wäre nicht wahr, es stimmte. Diese Menschen hatten eine bestimmte Art von Selbstbewusstsein und Stil. Sie wussten, wer sie waren und wo in der Welt sie hingehörten – ganz an die Spitze.
Und jedes Jahr dachte sie, dieses Jahr wird Rourke sich verändern. Er würde blöd sein oder Pickel haben oder nach Schweiß riechen oder ein totales Arschloch sein. Und jedes Jahr lag sie falsch. Er sah einfach nur immer besser aus und wurde selbstbewusster. Und er war immer noch so nett, nicht einmal mit der Wimper zu zucken, als sie und Nina ihn um diesen Gefallen gebeten hatten.
Wenn sie ehrlich war, suchte sie nach Gründen, ihn nicht zu mögen, denn es gab so vieles, was gegen ihre Gefühle für ihn sprach, unter anderem die Tatsache, dass er diese Gefühle niemals erwidern würde. Doch nie fand sie etwas. Auch wenn Rourke immer so schroff und ernsthaft tat, war er doch genauso nett wie gut aussehend.
Genug, sagte sie sich. Ihre Besessenheit von Rourke McKnight wurde ja langsam furchterregend. Er war Prince Charming, zu gut, um wahr zu sein, und so unerreichbar wie der Mond. Joey hingegen war echt: witzig und bodenständig, der Sohn des Chauffeurs der McKnights, der sich traute, von einem großartigeren Leben zu träumen. Joey war der Typ Junge, den ein Mädchen ihrer Familie vorstellen konnte, ohne dass eine unangenehme Situation entstand. Wenn Rourke der Junge war, den ein Mädchen in ihren Träumen heiraten wollte, war Joey der Junge, den sie tatsächlich heiraten würde.
Sie streckte eine Hand aus und tätschelte Ninas Knie. „Alles okay?“, fragte sie.
Nina schaute auf. Sie war blass und nervös. „Ich habe total Panik“, sagte sie. „Ich kann schon alle reden hören … ‚Aber sie war doch so ein kluges Mädchen und kommt aus so einer wundervollen Familie. Ihr standen doch für die Zukunft alle Möglichkeiten offen …‘“
„Und jetzt hast du noch mehr“, sagte Jenny in dem Versuch, etwas Positives zu sagen. „Du bist klug, du hast eine tolle Familie, und bald wirst du ein Baby haben. Meine Großmutter sagt immer, Babys sind der Beweis, dass Gott wirklich existiert.“
„Hör mal, das ist wirklich süß von dir, aber ich mache mir nichts vor. Das hier wird kein Picknick.“
Jenny musste ihr zustimmen, sprach es aber nicht laut aus. Genau wie sie die Pläne nicht ansprach, die sie und Nina seit Jahren machten. Nach der Highschool hatten sie die Welt sehen wollen. Danach wollte Jenny sich einen fabelhaften Job und ein Loft in der City besorgen und so leben wie die Leute in der Serie Verrückt nach dir . Nina hatte vor, nach Avalon zurückzukehren und das Inn am Willow Lake zu kaufen. Schon als kleines Kind hatte
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