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Das Geheimnis meiner Mutter

Das Geheimnis meiner Mutter

Titel: Das Geheimnis meiner Mutter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susan Wiggs
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schien?
    Jenny gab sich alle Mühe. Als Joey anrief, um mit ihr ins Kino zu gehen, sagte sie bereitwillig zu. Sie lud ihn in ihr Haus ein und sah mit weich werdendem Herzen zu, wie gut er und Granny sich verstanden. Eine Reihe von Schlaganfällen hatte Granny geschwächt, aber Joey achtete gar nicht darauf. Weder sprach er so laut, als wäre sie schwerhörig (was sie auch nicht war), noch so, als hätte sie nicht mehr alle Tassen im Schrank (was ebenfalls nicht der Fall war). Stattdessen behandelte er sie mit Achtung und Respekt, und wenn er zu Besuch war, schien Granny förmlich aufzublühen. Jenny mochte es, dass er sich Granny gegenüber so benahm, als wäre sie seine eigene Großmutter.
    An einem Wochenende kam Bruno Santini zu Besuch. Nachdem sie ein wenig Zeit mit ihm verbracht hatte, verstand sie, wo Joey herkam – aus einem Zuhause voller Liebe und gegenseitigem Verständnis. Mr Santini zeigte seinem Sohn unverhohlen seine ganze Zuneigung und seinen Stolz, und er zögerte nicht, sein Herz für Jenny und ihre Großmutter zu öffnen. „Du bist das hübscheste Mädchen, das Joey mir je vorgestellt hat“, sagte er.
    „Pop, sie ist das einzige Mädchen, das ich dir je vorgestellt habe“, korrigierte Joey ihn.
    Im August, als es so heiß war, dass selbst die Grillen ihr Zirpen einstellten, hängte Joey eine zweisitzige Hollywoodschaukel auf der vorderen Veranda auf, und er und Jenny saßen dort oft bis spät in die Nacht, leise vor- und zurückschwingend und auf eine Brise hoffend. Mittlerweile schien es Jenny, dass sie niemals aus diesem Haus ausziehen würde. Nachdem Grandpa gestorben war, hatte sie noch an ihrem Traum festgehalten, aber nach Grannys erstem Schlaganfall war es das für sie gewesen. Sie würde bleiben. Granny brauchte sie. Sie waren einander angenehme Mitbewohner und machten das Beste aus der Situation. Seitdem Granny keine Treppen mehr gehen konnte, hatten sie das Büro im Erdgeschoss zu ihrem Schlafzimmer umgebaut, und Jenny hatte das gesamte obere Stockwerk für sich. Manchmal tat sie so, als wäre es ein Loft in Soho, aber dann fingen die Grillen wieder an zu zirpen, oder ein Kojote heulte und erinnerte sie daran, wo sie war: in Avalon.
    „Es ist so schön hier“, sagte Joey und legte einen Arm um ihre Schultern.
    Die Ironie ließ Jenny schmunzeln. „Genau mein Gedanke.“
    „Du wirst mir sehr fehlen“, sagte er leise.
    „Hast du Angst?“, wollte sie wissen.
    „Ich bin eher nervös, schätze ich. Aber Angst?“ Er lächelte. „Ich weiß, dass dieser nächste Einsatz intensiver wird, weil ich dann ein Ranger bin, aber das macht mir keine Angst.“ Sein Lächeln verblasste. „Aber dich zu verlassen … das macht mir Angst.“
    „Warum das denn?“
    „Weil sich im Moment alles so gut anfühlt. Ich will nicht, dass sich das ändert.“
    Sie schwieg einen Moment und atmete tief die hitzeschwere Luft ein. „Alles verändert sich. Das wissen wir doch beide.“
    „Aber wenn wir zusammen wären, würden wir uns zusammen verändern und gemeinsam wachsen.“ Er stieß ein abwehrendes Lachen aus. „Ich weiß, ich bin verrückt. Du wirst vermutlich in die Stadt ziehen und dich in eine Fremde verwandeln.“
    Sie lachte auch, obwohl sein Kommentar sie störte. „Ich werde nirgendwohin gehen. Granny braucht mich hier. Das musst du verstehen, Joey, ich werde sie niemals allein lassen.“
    Er beugte sich zu ihr und berührte mit seinen Lippen ihre Stirn. „Sie hat Glück, dich zu haben. Und ich auch.“
    In dem Moment fühlte Jenny sich wie die wahre Glückliche. Ein beinahe voller Mond zog seine Bahn über den nächtlichen Himmel, und das silberne Licht fiel auf Joey und erleuchtete ein Gesicht, das ihr so wertvoll geworden war. Was für ein Geschenk es doch war, jemanden wie ihn in ihrem Leben zu haben. Jemanden, der sie, ohne zu fragen, liebte, dessen Hauptsorge es war, von ihr getrennt zu sein.
    Den restlichen August beobachtete Rourke, wie Joey und Jenny immer mehr zusammenwuchsen. Er versuchte, sich für die beiden zu freuen, aber es gelang ihm nicht. Also tat er so, als würde es ihn nicht interessieren. Er verbrachte seine Zeit mit den Mädchen aus dem Camp, trank zu viel, schlief zu wenig und ging seinem besten Freund aus dem Weg. Und endlich neigte sich der Sommer dem Ende zu. Er fing an, die Tage zu zählen, bis er, Joey und Jenny wieder getrennte Wege gehen würden.
    In der Woche vor dem Labor Day fand der traditionelle Tag für die Mitarbeiter des Camps statt. Betreuer und

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