Das Geheimnis unserer Herzen: Roman (German Edition)
Moira schloss Vanessas Finger um den Ring. »Graemes Vater hat ihn mir vor fast vierzig Jahren geschenkt. Es ist sehr lange her, seit ich ihn getragen habe. Aber er gehört zum Rothmore’schen Vermögen, und die Herzogin von Rothmore bist jetzt du.«
Vanessa hielt den Ring noch immer in der Hand.
»Sollen wir sehen, ob er dir passt?«, fragte Moira und nahm ihr lächelnd den Ring ab, um ihn über ihren linken Ringfinger zu streifen. »Er sitzt perfekt.«
Das Metall war kalt an Vanessas Haut, aber der Ring sehr fein und schön. Sie schaute mit großen Augen zu ihrer Schwiegermutter auf. »Danke, Moira. Ich weiß wirklich nicht, was ich dazu sagen soll.«
»Du brauchst gar nichts zu sagen. Aber vielleicht darf ich dir als ältere und erfahrenere Frau einen Rat geben.« Moira wartete nicht auf Vanessas Zustimmung, sondern sprach ohne Zögern weiter. »Sei nicht so dumm, wie ich es so lange Zeit war«, sagte sie und seufzte. »Graemes Vater und ich hatten eine sehr stürmische Ehe. Wir waren beide leidenschaftlich und starrköpfig, von stolz erst ganz zu schweigen, und irgendwann« – sie schüttelte wehmütig den Kopf – »hörten wir beide auf, uns zu bemühen. Und als das geschah, gab ich die Liebe auf.« Sie hob einen Finger hoch und lächelte. »Das heißt allerdings nicht, dass ich jemals aufgehört habe, diesen sturen Bock zu lieben. Niemand auf der Welt konnte mich wütender machen als er.«
Vanessa lauschte Moiras Worten aufmerksam. Sie war noch nicht sicher, wie sie darüber dachte, aber sie wusste, dass es bestimmt nicht leicht für ihre Schwiegermutter war, ihr all das anzuvertrauen.
»Dieser Mann ist inzwischen schon seit mehreren Jahren tot«, fuhr Moira fort. »Aber ich hatte solche Angst, wieder verletzt zu werden, dass ich nie wieder einen anderen Mann an mich herangelassen habe.«
Vanessa spürte, dass da noch etwas war, was Moira noch nicht gesagt hatte. »Bis …?«, hakte sie deshalb sanft nach.
Moira grinste sie an. »Wie einfühlsam du bist. Das gefällt mir. Und die Antwort ist, bis ich George Randolph kennenlernte. Nach unserem wundervollen Dinner gestern Abend machte er mir heute Morgen einen ganz unerwarteten Besuch.« Moira kaute an ihrer Unterlippe, was sie viel jünger aussehen ließ, wie ein verliebtes junges Mädchen fast. »Er ist charmant. Vielleicht nicht so gebildet wie mein verstorbener Ehemann, aber auch nicht so herrisch und so laut.«
Sie legte die Hand auf Vanessas. »Ich weiß nicht, ob das irgendwohin führen wird, aber ich laufe jetzt nicht mehr davon. Ich werde mich von diesem Mann umwerben lassen – auch wenn der liebe Himmel weiß, warum er sich für eine Frau wie mich interessieren sollte – und werde jeden Augenblick genießen.«
Vanessa erkannte plötzlich, dass dieses Gespräch von Anfang an geplant gewesen war. Nicht nur, um ihr den Ring zu geben, obwohl das sehr liebenswürdig gewesen war, sondern vor allem, um die Geschichte loszuwerden, die Moira ihr anvertraut hatte. Sie versuchte Vanessa offenbar etwas zu sagen – wie etwa, dass sie keine Angst vor der Liebe haben sollte? Dabei war es keineswegs so, dass Vanessa Angst davor hatte; sie glaubte nur einfach nicht, dass es sie gab. Oder jedenfalls keine dauerhafte Liebe.
Hatte Moira das nicht auch gesagt, als sie von Graemes Vater sprach? Eine heiße, ungestüme Leidenschaft hatte sie verbunden, aber nur für kurze Zeit, und dann hatten sie getrennt gelebt. Obwohl Moira sagte, sie habe nie aufgehört ihn zu lieben, war sie wohl einfach zu stur gewesen, um sich mit ihm zu versöhnen.
Moira drückte Vanessas Hand.
»Danke vielmals für den Ring, Moira.« Vanessa erhob sich, und erst da bemerkte sie das Gemälde über dem Bett, ein Aquarell von einem See mit einem mächtigen Baum daneben. Das Bild kam ihr irgendwie bekannt vor, und so ging sie hinüber, um es sich genauer anzusehen.
»Ich habe seit Jahren nicht mehr gemalt«, bemerkte Moira. »Aber das war immer schon mein Lieblingsbild.«
Vanessa schloss die Augen und wurde von lebhaften Erinnerungen bestürmt. Bilder von ihr und Graeme, die unter ebendiesem Baum saßen und Picknick machten, während ihre Kinder fröhlich im Gras um sie herumtollten. Ihr blieb fast das Herz stehen, als sie die Augen öffnete und sich noch einmal das Gemälde über Moiras Bett ansah. Es war genau das Bild, das sie im Traum gesehen hatte. Vanessa streckte die Hand aus, zog sie aber schnell wieder zurück, bevor sie das Bild berühren konnte. »Wo ist das?«, fragte
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