Das Geheimnis unserer Herzen: Roman (German Edition)
waren kichernd durch das Gras gerannt, als ihr Vater mit ihnen Fangen gespielt hatte. Sie erinnerte sich, dass sie auf einer Decke unter einem mächtigen Baum gesessen und ihrer Familie lachend zugesehen hatte, während sie eine kleine Mahlzeit aus Brot, Käse und kandierten Feigen vorbereitete. Am besten erinnerte sie sich jedoch daran, wie sie sich gefühlt hatte: So glücklich und zufrieden wie noch nie zuvor in ihrem Leben.
Deutlich abwesend waren jedoch jegliche Gedanken an ihre Forschungen gewesen. Sie hatte weder Veröffentlichungen noch Plaketten oder Preise für ihre Fortschritte auf dem Gebiet der Wissenschaft gesehen. Auch keinen Schaukasten mit den Fossilien, die sie gefunden hatte. Nur Graeme war in dem Traum gewesen, ihre Kinder und dieses überwältigende Glücksgefühl.
Im Bett sitzend, stützte sie ihre Ellbogen auf die Knie und starrte stirnrunzelnd die leere Wand ihr gegenüber an.
Nein, das konnte nicht ihr Schicksal sein.
Ihr Schicksal barg große wissenschaftliche Entdeckungen in sich.
Ihr ganzes Leben lang hatte sie nie zu den anderen Mädchen gepasst, hatte sich nie wie ein Teil ihrer Familie und von ihrer Mutter geliebt gefühlt. Es war nicht leicht gewesen, aber sie hatte sich damit abgefunden, weil sie wusste, dass es der Preis für ihre Studien war. Der Preis, den sie gern bezahlt hatte. Weil sie sicher gewesen war, zu wissenschaftlichen Entdeckungen berufen zu sein.
Aber in ihrem Traum war nichts vorgekommen, was auch nur entfernt mit Wissenschaft zu tun hatte. Und wenn schon. Träume sind Schäume, dachte Vanessa, als sie sich aus dem Bett erhob und den letzten Schlaf abschüttelte.
Schnell lief sie zu ihrem eigenen Schlafzimmer hinüber und zog sich an. Ihr Haar flocht sie zu einem dicken Zopf, den sie aber nicht aufsteckte, sondern lang und schwer auf ihren Rücken fallen ließ. Dann machte sie sich auf den Weg zur Küche, dem Lieblingsraum von Graemes Familie. Hier fand sie ihren Ehemann, der auf einem Stuhl saß und herzhaft über irgendetwas lachte, das seine Mutter oder Großmutter gesagt hatte.
Eine wohltuende Wärme durchflutete Vanessa angesichts der Heiterkeit in seiner Stimme, des gleichen Glücks und der Zufriedenheit, an die sie sich aus ihrem Traum erinnerte. Sie schüttelte den Kopf. Sein Lachen war ein so sorgloses und unbekümmertes, dass es jeden zu einem Lächeln anregen würde.
Zu lächeln war schön und gut, ermahnte sie sich, aber sie durfte darüber nicht vergessen, dass sie eine Frau der Wissenschaft war. Eine Forscherin.
»Guten Morgen«, sagte Graeme schmunzelnd und nahm die Beine von der Bank, um sich wieder an den Tisch zu setzen und einladend auf den Platz neben sich zu klopfen. Vanessa setzte sich, aber weit genug entfernt von ihm, dass Raum für eine weitere Person zwischen ihnen blieb.
Seine Mutter stand auf, um einen Teller für sie aus dem Schrank zu holen, und Graeme rutschte näher an Vanessa heran und beugte sich über ihr Ohr. »Du hast gut geschlafen, hoffe ich.«
Sie verrenkte ihre Glieder, um wieder Abstand zwischen sie zu bringen, und nickte dann. »Danke, ja, das habe ich.«
»Schön geträumt?«, fragte er.
Sie schaute ihm in die Augen und sah dort nichts als gute Laune. »Nichts Besonderes. Und du?«
»O ja, ich hatte einen Traum, über den ich mir aber selbst noch nicht ganz klar geworden bin«, erwiderte er und trank nachdenklich einen Schluck Kaffee.
Hatte er einen ähnlichen Traum gehabt wie sie? Von ihnen beiden bei einem Picknick am Wasser und ihren Kindern, die lachend auf einer grünen Wiese herumtollten? Hatte er auch gesehen, wie sie Hand in Hand spazieren gingen, sich Geschichten erzählten und einander zärtlich in die Augen schauten?
Sie sah ihn prüfend an und suchte nach einem Anzeichen dafür, aber sie sah nichts, was darauf hinwies. Und sie würde ihn ganz bestimmt nicht danach fragen.
Obwohl es nur ein lächerliches kleines Experiment gewesen war, zog Vanessa das Fazit, dass der Stein der Vorsehung nach ihrer wissenschaftlichen Einschätzung definitiv nicht prophetisch war.
Kapitel neunzehn
E ine Stunde später saß Graeme im Arbeitszimmer und hielt die Einzelheiten seines Traums in seinem Notizbuch fest. Seit heute Morgen erinnerte er sich an mehr, nicht nur an den Haufen Knochen, den er gesehen hatte, sondern auch an einen Schatz. Es musste der Schatz von Loch Ness sein. Irgendwo in den Höhlen würde er den Schatz inmitten dieser Knochen finden. Vielleicht stimmte es, was die Legende sagte, und das
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