Das Geheimnis unserer Herzen: Roman (German Edition)
ließ den kleinen Vorhang wieder zurückfallen und wandte sich ihrem Ehemann zu. »Warum sind Sie gekommen, um mich zu holen?«
»Weil wir verheiratet sind«, erwiderte er, als erklärte das schon alles.
»Und woher kommt dieses plötzliche Verantwortungsbewusstsein?« Vanessa konnte kaum noch ihre Ungeduld bezähmen. »Heute Morgen schienen Sie doch noch ganz zufrieden damit zu sein, die Episode als Bagatelle zu behandeln.«
»Ich habe gar nichts bagatellisiert«, versetzte er schroff. Aber dann räusperte er sich und sagte etwas ruhiger: »Ich glaubte nicht, dass diese Eheschließung legal war. Nachdem wir uns heute Morgen getrennt hatten, wurde ich jedoch eines Besseren belehrt. Aber keine Angst, Vanessa. Sie werden mich nicht sehr lange ertragen müssen.«
»Sie wollen die Annullierung der Ehe beantragen?«, fragte sie, ohne ihre Überraschung verbergen zu können.
Er sah sie fragend an. »Ist das nicht das, was Sie wollen?«
»Natürlich«, erwiderte sie schnell. Aber war es das tatsächlich? Sie hatte nicht den Wunsch, mit ihm oder irgendeinem anderen Mann verheiratet zu sein. Ihre Unabhängigkeit hätte nicht kostbarer für sie sein können, sie war wie ein betörendes Lied, das in dem kalten Wind mitschwang und ganz allein für sie bestimmt war. Sie atmete tief aus und schwieg eine Weile, als Erinnerungen an diesen Morgen sie bestürmten, als Graeme sie über seine Schulter geworfen und zum Bahnhof getragen hatte. Es war, als könnte sie noch seine Berührung spüren, als läge seine Hand noch immer auf ihrem Po. Das war ungewöhnlich und äußerst unwillkommen.
»Sie haben mir noch nicht gesagt, warum die Männer in dem Pub Sie als Engländer bezeichneten«, sagte sie, um ihren Gedanken in eine andere Richtung zu lenken.
»Weil ich in London lebe und zur Hälfte Engländer bin«, sagte er.
Das erklärte seine Sprechweise. Obwohl er den Akzent eines Schotten hatte, war seine Ausdrucksweise kultiviert und gebildet. Und jetzt fiel ihr auch wieder ein, dass die Männer in dem Pub den Spitznamen »Engländer« benutzt hatten, um ihn zu verhöhnen.
»Und Sie mögen es nicht, dass man Sie so nennt?«, fragte sie.
»Nein.« Ein Muskel zuckte an seinem Kinn.
»Warum kommen Sie dann hierher, wenn Sie doch in London leben? Sie sagten, Sie hätten hier zu arbeiten?« Da sie nun mehr Zeit mit ihm verbringen würde, wollte sie mit ihm auch über den späten Besucher reden, der in der Nacht zuvor bei ihm gewesen war. Und über die Aufzeichnungen, die sie gelesen hatte.
Um ihn freundlich zu stimmen, lächelte sie ihn an.
Graeme brauchte einen Moment, um es zu bemerken, und dann neigte er ganz leicht den Kopf. »Was ist?«
»Ich werde Sie unterstützen und der Annullierung zustimmen, wenn Sie mir ein paar Fragen beantworten.«
»Sie haben mir schon genug Fragen gestellt, und ich habe alle beantwortet.« Er schien belustigt, obwohl kein Lächeln sein Gesicht erhellte. »Was für Fragen könnten Sie denn sonst noch haben?«
»Erzählen Sie mir vor allem etwas über Ihre Arbeit. Geht es um Familienangelegenheiten?«, fragte sie.
»Nein, was ich tue, hat nicht direkt etwas mit meiner Familie zu tun. Ich stelle Nachforschungen für einige meiner Partner an.«
Sie wusste, dass sie sich auf ein gefährliches Terrain begab und Neugier sie verraten konnte. »Partner aus London?«
Er ballte die Fäuste und schlug seine langen Beine übereinander, was sie noch viel dichter an die ihren heranbrachte. Das dunkle Haar an seinen muskulösen Waden faszinierte sie. Würde es sich weich oder rau anfühlen, und wie hart waren diese Muskeln unter seiner Haut?
»Woher kommt dieses plötzliche Interesse an meinem Leben?«, fragte er.
Sie zuckte mit den Schultern und versuchte, eine gleichgültige Miene aufzusetzen. »Ich bin nur neugierig.«
»Trotz Ihrer vorgeblich harmlosen Neugierde glaube ich nicht, dass meine Arbeit Sie etwas angeht«, sagte er. Aber seine aufmerksamen Augen blieben auf sie gerichtet und gaben ihr das Gefühl, als könnten sie geradewegs in sie hineinblicken. Bis zu jenen verborgenen Stellen, die sie noch nie jemandem offenbart hatte.
Sie bewegte sich unbehaglich und entschloss sich zu einer anderen Taktik. »Na schön, wie wär’s denn dann mit einem anderen Vorschlag? Ich lehne die Annullierung ab und bleibe mit Ihnen verheiratet; ein Dorn in Ihrem Fleische sozusagen, wenn Sie meine Fragen nicht beantworten. Also suchen Sie sich etwas aus«, sagte sie und verschränkte die Arme vor der Brust, um
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