Das Geheimnis unserer Herzen: Roman (German Edition)
ist, dass die Explosion, die du verursacht hast, sie in einem abgelegenen Bereich der Höhle eingeschlossen hat. Wäre es mir nicht gelungen, sie durch einen anderen Gang herauszuholen, hätte das dramatische Folgen haben können.«
Niall ließ sich langsam wieder auf seinem Sessel nieder. Erst jetzt bemerkte Graeme, wie sehr sein Cousin sich verändert hatte. Normalerweise war er das Musterbeispiel des englischen Gentlemans: das Haar perfekt geschnitten und gelegt, mit sauberen, gestärkten Kleidern, blütenweißer Schalkrawatte und lebhaften, wachen Augen. Aber der Mann, der vor ihm saß, hatte strähniges Haar, das ihm ungekämmt ins Gesicht fiel, und seine Kleider sahen aus, als wären sie vom Boden aufgelesen worden, waren von Flecken übersät und zerknittert.
Aber es war sein Gesicht, das die größten Veränderungen aufwies. Dunkle Schatten umgaben hohl und müde aussehende Augen. Niall saß mit hängenden Schultern da und wischte sich über den Mund, bevor er Graeme ansah. »Das warst du?«
»Ja, das war ich. Und Vanessa. Sie hätte stürzen und sterben können, Niall.« Graeme lehnte sich zurück und musterte seinen Cousin. Sie hatten sich nie sehr nahegestanden, aber er war ein Familienangehöriger. Schon allein deswegen wollte Graeme ihm Gelegenheit geben, sich zu rechtfertigen und ihm eine Erklärung für sein leichtfertiges und verrücktes Verhalten zu geben.
»Es tut mir leid. Es war nicht als Falle gedacht.« Niall versuchte zu lachen und sich gelassen zu geben, aber Graeme wusste es besser. Nialls Gesicht, sein ganzer Körper flatterten vor Unruhe. Er hockte auf der Kante seines Sessels, als wollte er jeden Moment aufspringen, und sein Blick huschte unstet durch das Zimmer. Seine Gesichtsfarbe war inzwischen schon fast grau, und er sah aus, als hätte er seit Tagen weder etwas gegessen noch ein Auge zugetan.
»Was ist los mit dir, Niall?«, fragte Graeme. »Du siehst furchtbar aus, Mann.«
Niall stieß ein unsicheres Lachen aus. »Ich versuche nur, diesen Schatz zu finden. Wahrscheinlich werde ich bloß langsam ungeduldig.« Er fuhr sich mit der Hand über das Gesicht, und für einen Moment entstand ein Riss in seiner Fassade, und Graeme sah die Panik in Nialls Augen. Niall hatte Angst.
Graeme stützte die Ellbogen auf den Schreibtisch und suchte den Blick seines Cousins. »Nein, das ist nicht alles, Niall. In was für Schwierigkeiten steckst du? Schuldest du jemandem Geld?«
Soweit Graeme wusste, hatte Niall immer reichlich Geld gehabt, aber klügere Männer als er hatten Vermögen an den Spieltischen oder bei riskanten Geldanlagen verloren. Graeme konnte sich keine andere Erklärung für Nialls seltsames Benehmen vorstellen.
»Ich bin nicht in Schwierigkeiten.« Niall schüttelte den Kopf und versuchte wieder, unbeschwert zu lachen. »Ich suche wirklich nur nach diesem Schatz. Er ist schwer zu finden, und wahrscheinlich macht mich das ein bisschen verrückt in letzter Zeit.« Er fuhr sich mit den Fingern durch das blonde Haar und presste die Lippen zusammen. »Du hast keinen Grund, besorgt zu sein«, sagte er mit erzwungener Ruhe.
Graeme sah die Entschlossenheit in Nialls Miene. Es war ein Ausdruck, der Graeme vertraut war, weil auch er ihn nur allzu oft zur Schau trug. Er hatte nicht gedacht, dass sein englischer Cousin so viel Rückgrat hatte, aber offensichtlich hatte er sich getäuscht. Es war klar, dass er von Niall nicht mehr erfahren würde.
»Verstehe«, sagte Graeme. Aber er konnte sehen, dass Niall etwas verbarg. Er merkte es an seiner Stimme, seinen Bewegungen, dem ausweichenden Blick. Irgendetwas hatte ihn in Todesangst versetzt. Und selbst wenn er nicht um die Hilfe bat, die er so offensichtlich brauchte, konnte Graeme nicht zulassen, dass er so weitermachte wie bisher.
»Wenn du weiter Dynamit benutzt, wirst du diese Höhlen irgendwann zerstören und sie völlig unpassierbar machen. Falls du also denkst, dein verdammter Schatz sei jetzt schon schwer zu finden, dann versuch es erst mal, wenn du nicht mal mehr in diese Höhlen hineinkommst.«
Niall blieb eine ganze Weile still. »Ich muss tun, was ich tun muss«, sagte er dann und presste die Lippen zusammen, als er den Blick zu Graeme erhob.
Graeme blickte sich in dem Zimmer um, in dem er niemand anderen sah, aber er hätte schwören können, dass Niall jemanden hinter ihm ansah.
»Du wirst entweder dich selbst umbringen oder jemand anderen«, sagte Graeme.
»Ich bin vorsichtig«, versicherte ihm Niall. »Das Sprengen
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