Das Geheimnis unserer Herzen: Roman (German Edition)
Tages wirst du es verstehen.«
»Ich bin kein Kind mehr«, fauchte Dougal und stürmte ärgerlich davon.
Graeme seufzte. Vielleicht hatte er vergessen, wie ein Junge in diesem Alter war. Auch er schüttelte den Kopf, als er sich auf den Weg zu Vanessa machte. Die Kapelle bereitete sich auf ihren Auftritt vor, und der provisorische Tanzboden war noch leer. Dies hier war weit entfernt von einem Londoner Ball, aber es gab gute Musik und Bier, und es wurde viel gelacht.
»Möchtest du tanzen?«, fragte er.
Vanessa lächelte, blickte aber in gespielter Schüchternheit unter halb gesenkten Wimpern zu ihm auf – mit einer Koketterie, von der er nicht geglaubt hätte, dass sie sie beherrschte. Doch anscheinend verstand sie sich sehr wohl aufs Flirten, oder vielleicht war diese Art Verhalten bei Frauen auch naturbedingt. »Die Kapelle hat noch nicht zu spielen begonnen«, erwiderte sie.
»Sie werden wissen, was zu tun ist.« Er nahm ihre Hand und zog sie mit sich zur Tanzfläche hinüber. Vier hübsch beschnittene Zierbäumchen begrenzten den rechteckigen Bereich, der zum Tanzen angelegt worden war. Im Augenblick waren Vanessa und Graeme dort noch allein unter den Sternen und vom Licht der Kerzen umgeben. Graeme zog sie fest an sich, und die Kapelle begann ein romantisches Stück für sie zu spielen.
Von der Dunkelheit verborgen, stand der Rabe zwischen den Bäumen und beobachtete schweigend, wie der Junge vor ihm die Pistole anlegte. Der Arm des Jungen zitterte beim Anvisieren seines Ziels. Der Rabe blickte an ihm vorbei zu Graeme und Vanessa, die plaudernd bei einigen der Gäste standen. Das Fest war nun schon seit Stunden in vollem Gange, und vor knapp zwei Stunden hatte Dougal es verlassen. Eine Zeitlang war der Junge mit der Pistole in der Hand im Wald herumgelaufen, bevor er sich schließlich zu einer nahe gelegenen Baumgruppe begeben hatte, um sein Ziel ins Auge zu fassen.
Die ganze Zeit über hatte sich der Rabe in der Dunkelheit versteckt und beobachtet und abgewartet. Da er Menschen nur sehr selten falsch einschätzte, rechnete er ganz fest damit, dass Dougal handeln würde. Besonders nach ihrem Gespräch heute Morgen.
Dougal hatte ihn in Nialls Haus aufgesucht und schien froh gewesen zu sein, als er den Raben dort allein antraf. »Ich bin Ihnen dankbar für Ihren Rat, aber es gibt nichts, was ich gegen die Frau meines Bruders unternehmen könnte«, hatte der Junge gesagt.
Der Rabe hatte eine Weile nachgedacht, bevor er sich dazu äußerte. »Das stimmt nicht ganz«, sagte er und wählte seine Worte mit Bedacht, als er weitersprach. »Wenn sie verletzt wäre, könnte sie nicht hierbleiben. Ihr habt hier nicht die notwendige medizinische Versorgung für bestimmte Arten von Verletzungen.«
Es war nicht der Plan, den der Rabe sich erhofft hatte, aber immerhin ein Anfang. Und aller Wahrscheinlichkeit nach würde er damit auch Graeme loswerden. Zweifellos würde der vernarrte Ehemann seine verletzte Frau begleiten, um für eine gute medizinische Behandlung und ihre Sicherheit zu sorgen.
Dougal sagte nichts, sondern stand nur schweigend da und ließ sich den Vorschlag des Raben durch den Kopf gehen.
»Du solltest sie anschießen«, beharrte der Rabe. »Ziel auf ihr Bein oder woandershin, wo eine Kugel sie nicht lebensgefährlich verletzt.«
In Wahrheit jedoch hoffte der Rabe, dass der Junge ein schlechter Schütze war und die junge Frau tödlich verwundete. Damit wäre Graeme lange genug aus dem Rennen, damit der Rabe und Niall ihre Arbeit hier vollenden konnten.
»Wir treffen uns im Wald, dann werde ich dir zeigen, wie leicht es ist, jemanden zu verletzen«, sagte der Rabe, während er genüsslich seinen Tee trank. »Und enttäusch mich nicht, Dougal, denn sonst trifft die Kugel vielleicht deinen Bruder statt der Frau.«
Und jetzt standen sie hier im Wald, und der Junge hielt die Waffe in der Hand und zielte. »Nun schieß schon«, flüsterte der Rabe, obwohl er wusste, dass er viel zu weit von Dougal entfernt war, um von ihm gehört zu werden.
Der Rabe konnte Graeme nicht in Schottland brauchen, und seine Frau zu verwunden oder gar zu töten, schien ihm der einfachste Weg zu sein, ihn loszuwerden. Graeme würde viel zu abgelenkt sein, um weiter in den Angelegenheiten seines Cousins herumzuschnüffeln. Der Rabe hatte das gleiche Verhalten schon bei Fielding gesehen, als dieser Narr so besorgt um Esme und ihre Sicherheit gewesen war. Er war unkonzentriert gewesen und hatte Fehler gemacht. Männer wurden
Weitere Kostenlose Bücher