Das Geheimnis vom Kuhhirtenturm
dabei.
„Oh ja, das wäre sehr nett von dir. Weißt du, Jens und ich haben uns nie sehr nahegestanden, aber mir wäre unwohl bei dem Gedanken, daß sein Mörder für immer frei herumläuft. Und falls du Ausgaben hast, Jens hatte noch ein Sparkonto mit ein paar Tausendern drauf. Daran soll’s also nicht scheitern.“
„Danke. Ich fang gleich morgen an“, erwiderte Herr Schweitzer, der die Hoffnung noch immer nicht aufgegeben hatte, daß sich der Mord schon die nächsten Tage Knall auf Fall quasi von selbst löste. Na ja, dachte er bei sich, sein Freund, der Schmidt-Schmitt, könnte ja auch mal langsam ein paar Infos rüberrücken. Immerhin war der Mord in Sachsenhausen geschehen und als interessierter Bürger wüßte er schon ganz gerne, was hier eigentlich abging.
Kurz vor Ladenschluß verabschiedete man sich wortreich und Ferdi bot ihnen noch an, sie mit seinem Taxi nach Hause zu bringen. Dankbar wurde die Tour angenommen. Elly wohnte oben im Holiday Inn. Mit Ferdi vereinbarte Herr Schweitzer, daß sie morgen früh miteinander telefonierten, um einen gemeinsamen Termin für Jens’ Möbel und die Renovierung zu finden.
Diesmal trugen die Osterhasen, von denen Herr Schweitzer schon letztens geträumt hatte, rote Filzhüte.
Sigmund Freud hätte wohl geschlußfolgert, daß dies auf Ellys ebenso rote Haare zurückzuführen sei. Aber Sigmund Freud als Begründer der Psychoanalyse zu betrachten, so oft, wie dieser Labbeduddel daneben lag, wäre ungefähr so, als würde man jenen altbabylonischen Möchtegern-Baumeister, dessen zweistöckige Lehmbauten permanent zusammenkrachten, als Vater aller Wolkenkratzer feiern. Natürlich gab es den Penisneid. Vermutlich brach er über den kleinen wie den großen Sigmund immer dann herein, wenn er nackt vor dem Spiegel stand. Außerdem war er Österreicher.
Ferdi schloß die Wohnungstür mit dem Schlüssel auf, den er von Elly bekommen hatte. Herr Schweitzer war froh, daß sich Jens’ Wohnung im Parterre befand, das würde die Sache mit den Möbeln vereinfachen. Maria wollte noch duschen, würde aber auf jeden Fall später dazustoßen.
Weder Ferdi noch Herr Schweitzer waren darauf vorbereitet, daß sich noch jemand in der Wohnung befand. Es war Elly, die vor einem Schreibtisch saß und Papiere ordnete.
„Puuh“, sagte der Taxifahrer, „hast du uns erschreckt.“
„Sorry. Aber gestern dachte ich noch, ich würde erst am Nachmittag hier sein. Schaut euch in Ruhe um. Ich muß noch die Aktenordner von Jens durchgehen. Ihr glaubt gar nicht, wieviel Papierkram noch zu erledigen ist, wenn jemand gestorben ist. GEZ, Rentenkasse, Einwohnermeldeamt, die Bank und, und, und.“
Herr Schweitzer: „Ich kann’s mir vorstellen. In Argentinien ist das bestimmt anders.“
„Hast du eine Ahnung. Das war vielleicht früher so, aber mittlerweile hat man das Gefühl, die haben sich vorgenommen, Deutschland in Sachen Bürokratie an die Wand zu spielen.“
„Was gar nicht so einfach sein dürfte“, witzelte Ferdi.
„Sie geben sich aber die größte Mühe. Versucht mal, da unten eine Baugenehmigung für ein Restaurant zu bekommen. Kinderchen, Kinderchen, danach seid ihr reif für die Klapse.“
Dann herrschte für einen Moment Ruhe, in dem sich Herr Schweitzer und Ferdi den Möbeln zuwandten.
Doch kaum hatten sie eine Tür des Schranks im Flur geöffnet, hörten sie Ellys Stimme erneut. „Apropos Klapse …“
Ihrer Stimmlage nach war es unmöglich herauszufinden, ob Elly mit ihnen oder mit sich selbst sprach.
Sicherheitshalber ging Herr Schweitzer wieder ins Wohnzimmer.
Wie in Zeitlupe erhob sich Jens’ Schwester aus dem Stuhl. In der Hand hielt sie ein Blatt Papier. Auch Ferdi war nun eingetreten.
„Das gibt’s doch gar nicht“, hauchte Elly und runzelte die Stirn. Noch immer war nicht klar, wem die Ansprache galt.
„Was gibt’s nicht?“ wollte Herr Schweitzer wissen.
Statt einer Antwort schüttelte Elly ihren Kopf. Dann reagierte sie doch noch: „Hier, eine Rechnung.“ Sie reichte das Papier weiter. „Jens war in psychiatrischer Behandlung. Wußtet ihr das?“
Herrn Schweitzer war’s eher gleichgültig. Er hatte das Opfer nicht gut genug gekannt, um sich ein Urteil über dessen Psyche zu erlauben.
Doch Ferdi fiel aus allen Wolken: „Was? Jens und Probleme? Kann ich mir beim besten Willen nicht vorstellen.“
„Hier steht’s aber“, erklärte Elly und studierte mit Ferdi zusammen das Schreiben.
Derweil setzte sich Herr Schweitzer in einen äußerst
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