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Das Geheimnis vom Kuhhirtenturm

Das Geheimnis vom Kuhhirtenturm

Titel: Das Geheimnis vom Kuhhirtenturm Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frank Demant
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dreißig nachts. Montags hatte er immer frei. Urlaub nahm er stets im Winter, außerhalb der Schulferien.
    Dieses Mal würde es eine echte Herausforderung werden. Die ganze Strecke, vom Hauseingang, der direkt an der Straße lag, bis hin zum angemieteten Parkplatz war von Laternen beleuchtet. Außer seiner Arbeit schien Ingolf Decker keine festen Termine zu haben. Nur selten ging er abends aus. Und wenn, dann zu keinem bestimmten Zeitpunkt. Sein Arbeitsplatz in Fechenheim war als Tatort völlig indiskutabel. Scheinwerfer beleuchteten den Hof, auf dem die Angestellten ihre Fahrzeuge abstellten. Obendrein drehte dort ein Wachmann mit seinem Schäferhund die Runden. Die einzige Möglichkeit war der Parkplatz in Niederrad. Immerhin hatte das weißgetünchte Haus an der Seite keine Fenster und man konnte zumindest von dort aus nicht auf die Autos blicken. Gegenüber allerdings befand sich ein vielgeschossiges Gebäude der Deutschen Post. Die dort untergebrachten Arbeitnehmer kamen und gingen zu den unmöglichsten Zeiten. Auch um ein Uhr nachts schloß da so manch einer die Haustür auf. Oft in angetrunkenem Zustand, wie er selbst aus der Entfernung noch hatte beobachten können. Aber auch das hatte er einkalkuliert. Es mußte halt alles sehr schnell gehen. Die Schlinge um den Hals und fertig. Bis ein möglicher Zeuge reagieren konnte, würde er schon längst wieder auf seinem Drahtesel sitzen und kräftig in die Pedale treten. Und dann hatte er sich noch etwas ganz Besonderes ausgedacht. Eine zusätzliche Pirouette sozusagen. Ob es aber zu diesem Zusatzprogramm kommen konnte, würde sich erst wenige Stunden vor dem Mord entscheiden. Schön wäre es, dachte er, als das Licht oben ausging und das im Hausflur an.
    Wie immer waren Ingolf Deckers Haare noch naß vom Duschen. In der linken Hand hielt er seine braune Ledertasche. Seine weiße Bäckerkleidung trug er bereits. Seinem morgendlichen Ritual folgend steckte er sich vor der Haustür eine Zigarette an. Eine Marlboro light, wie der Täter wußte.
    Er folgte ihm in beträchtlichem Abstand. Beim Hotel, das sich auf Besucher der nahen Rennbahn spezialisiert hatte, blieb er stehen und sah, wie Decker in der Hofeinfahrt verschwand. Zwei Minuten später erblickte er erst die Scheinwerfer und dann die Rücklichter, die sich Richtung Königslacher Straße entfernten.
    Er hatte Oberrad fast erreicht, als ein Unwetter über Frankfurt hereinbrach und ihn binnen Sekunden restlos durchnäßte. Da wollen die Götter mir wohl zürnen, dachte er. Aber scheiß auf die Götter! Sie, die Götter, die angeblich das Schicksal in den Händen hielten. Zornig kämpfte er gegen den Sturm an. Sie werden keine Chance gegen mich haben! Keiner wird eine Chance gegen mich haben!
    – Ende der Rückblende –
    In Filmen wird die Polizei oft als trottelige Gemeinschaft von Dilettanten und Versagern dargestellt. Genährt wird diese Vorstellung durch so lustige Fälle wie der Jagd nach dem weiblichen Phantom, das im Süddeutschen im quasi Stundentakt ein Verbrechen nach dem anderen begangen haben soll, bis man herausfand, daß eine Mitarbeiterin des Wattestäbchenherstellers für die immergleichen DNA-Spuren verantwortlich war. Dieser Fall sorgte natürlich für Heiterkeit allerorten, vornehmlich im Ausland. So etwas kann vorkommen, ist jedoch nicht die Regel.
    Die Mordserie in Frankfurt mit den Opfern Heinz-Günther Sattler, Ingolf Decker und Jens Auer innerhalb von nur fünfzehn Tagen brachte die Kripo an den Rand ihrer Belastungsgrenze. Obendrein waren auch viele Beamte im Sommerurlaub, was die Sache nicht unbedingt vereinfachte. Bei keinem der drei Morde war man dem Täter auch nur annähernd auf die Pelle gerückt. Selbst vermeintlich erstklassige Spuren wie das gestochen scharfe Phantombild (Fall Jens Auer) oder die DNA- und Lippenstiftspuren an den Zigarettenkippen sowie das Schuhsohlenprofil (Fall Heinz-Günther Sattler) schienen im Nirgendwo zu verlaufen.
    Nach wie vor untersuchte man die Morde unabhängig voneinander, war jedoch nicht so blöd anzunehmen, sie hätten nie und nimmer etwas miteinander zu tun. Doch nachdem man den Bekannten- und Freundeskreis und die persönlichen Lebensumstände der Opfer wieder und wieder nach allen Seiten abgeklopft hatte, blieb als einziger gemeinsamer Nenner lediglich die vermeintliche Kaltblütigkeit des oder der Täter übrig. Auch die unterschiedlichen Tatwaffen ließen keine Rückschlüsse auf Querverbindungen zu. Das Messer und die Drahtschlinge

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