Das Geheimnis von Compton Lodge
wenig oder gar nichts von Ihnen erwartet, übertreffen Sie sich meist selbst.«
»Holmes!«, rief ich getroffen.
»Ein kleiner Scherz. Sie vertrauen mir doch?«
Ich nickte unmissverständlich. Er sprach leise und bestimmt.
»Watson, gehen Sie zu dem Loch und steigen Sie hinein. Dort sollten Sie etwas finden, das Ihnen bekannt vorkommt. Zeigen Sie keine Reaktion und stecken Sie den Gegenstand unauffällig ein.«
Ich stand auf und näherte mich dem Erdloch, das für seine Tiefe recht schmal war. Nachdem ich das Seil an dem nahen Baum befestigt hatte, lieà ich mich hinunter. Es war kaum genug Platz, um sich zu bücken. Als ich schon aufgeben wollte, fiel mir ein kleiner glänzender Gegenstand auf, der direkt neben meinem rechten Fuà halb in den Boden gedrückt war. Ich hob ihn mit einer gleichgültigen Bewegung auf, ganz so, als würde ich den Boden abtasten.
Als ich wieder herausgekrochen war, stellte ich zu meinem Erstaunen fest, dass Holmes verschwunden war. Meine Verblüffung war so groÃ, dass ich mich setzen musste. Was hatte er mir gesagt? Dass wir nicht viel Zeit hätten und unter Beobachtung stünden. Ich nahm den Boden in Augenschein, wo er gesessen hatte, dann drehte ich eine Runde in dem verwilderten Garten. Es gab keine Möglichkeit, den ursprünglichen Weg zurückzugehen. Auf zwei der vier Seiten wurde der Garten durch ein Gebäude abgeschlossen. Ein massives Holztor versperrte den einzigen Zugang. Mein Versuch, es zu öffnen, blieb erfolglos. Die beiden anderen Seiten des Gartens waren durch hohe Mauern begrenzt, ich schätzte sie auf gut fünfzehn FuÃ. Das Gebäude hatte Fenster, doch waren diese allesamt mit Fensterläden verriegelt. Wohin war er verschwunden? Zurück durch den Gang? Die Luke war verschlossen, ein Entkommen auf diesem Weg schien mir unmöglich. Und mit seinem verletzten Fuà hätte er in so kurzer Zeit nicht über die Mauer entkommen können. Ich lehnte an der Hauswand neben dem Tor und sah mich um. Instinktiv ging ich auf einen Baum im hinteren Teil des Gartens zu, der sich für meinen Ausbruch eignen könnte. Tatsächlich gelang es mir, ihn zu ersteigen und über einen starken Ast die Mauer zu erreichen. Zu meinem Erstaunen stellte ich fest, dass das auÃerhalb liegende Gelände genau an der von mir gewählten Stelle um einiges höher lag. Ein verantwortbarer Sprung von der Mauer befreite mich aus meinem Gefängnis, nur war ich jetzt alleine und ohne Gefährt unterwegs. Ich lief einen schmalen, rampenähnlichen Weg herunter und stand in einem Hopfenfeld. Ich zog das flache silberne Medaillon aus meiner Hosentasche. Es kostete mich einige Mühe, den Verschluss zu öffnen. Zu meiner Ãberraschung fanden sich darin zwei kleine, gefaltete Papiere, die ohne jeden Zweifel von Holmes stammten. Ich begann zu lesen:
Watson, wie Sie unschwer gemerkt haben, gehen wir erst einmal getrennte Wege. Ich vermute, dass Sie nicht so ungeschickt waren, das Medaillon im Klostergarten zu öffnen. Wie ich vorhin sagte, gerade wenn man es nicht von Ihnen erwartet, schwingen Sie sich zu ungewohnten Höhen auf. Sie haben hoffentlich den Fluchtweg über die Mauer gewählt?
Plötzlich wurden Stimmen im Garten laut, jemand fluchte. Ich zögerte keine Sekunde und hastete durch das Feld der Küste entgegen. Als ich nach Luft schnappend wieder auf einem FuÃweg stand, konnte ich bereits das Schlagen der Wellen hören und den Geruch des Meeres wahrnehmen. Ich ging weiter, sah mich aber immer wieder um und kontrollierte, ob mir jemand folgte. Immerhin trug ich den Armeerevolver bei mir. Ich erreichte den Strand und setzte mich, um weiterzulesen.
Gehen Sie durch das Hopfenfeld in Richtung Küste und warten Sie dort, bis es dämmert. Dann laufen Sie nach Süden in Richtung LandstraÃe. Mit ein wenig Glück wird Sie jemand zum Pigeons Inn mitnehmen
.
Den zweiten Zettel musste er schon vorab geschrieben haben, denn die Schrift war deutlich besser lesbar.
Hier sind zwei Aufgaben für Sie, Watson. Es ist von fundamentaler Wichtigkeit für unsere Nachforschungen, dass Sie Ihren Part perfekt spielen. Fragen Sie Jason Butler über das Verschwinden seines Vaters aus. Erst wenn Sie das Gefühl haben, dass er nichts mehr zu erzählen hat, geben Sie sich zufrieden. Notieren Sie anschlieÃend alles
.
Und sprechen Sie mit Ihrem Kollegen Dr. Smithers. Warum ist Montgomery
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