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Das Geheimnis von Compton Lodge

Das Geheimnis von Compton Lodge

Titel: Das Geheimnis von Compton Lodge Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Jackob
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eine Anhöhe, von wo aus sich ein atemberaubender Blick über die Dünen zum Meer hin offenbarte. Die abfallenden, sich zum Wasser hinziehenden Hügel, die karge und doch reizvolle Landschaft. Was für ein Anblick! Ich bat meinen Begleiter einen Augenblick anzuhalten. Das Naturschauspiel war überwältigend, die aufgerissene Wolkendecke ließ die Sonnenstrahlen an einigen Stellen auf die wild bewegte Wasseroberfläche treffen. Kein Schatz oder Geschmeide dieser Welt konnte eine solche Schönheit entfachen wie Gottes Schöpfung. Butler war vom Kutschbock gestiegen und fragte mich, ob wir den Spaziergang nicht von hier beginnen sollten. Ich stimmte freudig zu. Mit Wanderstöcken und Kappen samt warmen Mänteln ausgerüstet, liefen wir in Richtung Strand. Er berichtete aus seinen Jugendtagen, die zwar vordergründig glücklich verlaufen, aber dadurch getrübt geblieben waren, dass sein Vater nie wieder aufgetaucht war.
    Â»Wissen Sie, Doktor, die Hoffnung, dass er zurückkommen und eines Morgens in der Tür stehen und alles wieder seinen normalen Gang nehmen würde, habe ich immer gehabt. Ich war überzeugt davon, dass, wenn ich nur fest genug daran glaubte, sich alles zum Guten wenden würde.«
    Â»Ich vermute, dass dadurch Ihre Jugend anders war als bei Gleichaltrigen?«
    Â»Genau so war es, Doktor. Wissen Sie, es ist die im Laufe der Jahre schwächer werdende Hoffnung, die man sich gegen jede Vernunft bewahrt und wie einen Funken in seinem Herzen trägt. Und andererseits diese sich immer mehr zur Gewissheit verfestigende Erkenntnis, dass er nicht wiederkommen wird. Man wird schneller erwachsen als andere Kinder und trägt eine Sehnsucht in sich, die einen regelrecht in den Bann zieht.«
    Â»Und doch haben Sie Ihren Weg gemacht, mein lieber Butler. Das zeugt von unerschütterlichem Charakter.«
    Â»Meine Mutter habe ich oft genug schluchzen und weinen gehört. Heute versuche ich nur noch, den Leichnam meines Vaters zu finden.«
    Â»Den Leichnam?«
    Â»Nach solch langer Zeit kann man nicht davon ausgehen, dass er noch lebt. Ich will mir nicht vorstellen, dass er sich einfach davongemacht hat. Das war den Erzählungen meiner Mutter nach auch nicht seine Art, Doktor. Aber ich will diesen dunklen Fleck des Ungewissen aus meinem Leben verbannen. Als sich Sherlock Holmes bei uns gemeldet hat, schien mir, als habe der liebe Gott Hilfe geschickt.«
    Obwohl mich seine Worte bewegten, musste ich bei dem Gedanken schmunzeln, dass mein Gefährte der verlängerte Arm Gottes sein könnte. In den Fällen von Kapitän Croker oder Dr. Leon Sterndale hatte er das Gesetz zweifelsohne in seine eigenen Hände genommen, da er die beiden Täter ihrer Motive wegen laufen ließ. Aber er als Arm Gottes? Was für ein aberwitziger Gedanke. Um Butler ein wenig zu ermutigen, dachte ich erst daran, ihm etwas über meine eigene Vergangenheit zu berichten, doch erinnerte ich mich, dass Holmes bei unserer Fahrt nach Canterbury nicht weitererzählt hatte, als sich dieser wegen des Wolkenbruchs zu uns in die Kabine geflüchtet hatte. Ich schwieg also. Wir erreichten den Strand und liefen umher, noch immer windete es stark und die See war aufgewühlt. Auf einem großen Stück Treibholz ruhten wir nach unserer mehrstündigen Unternehmung aus und sahen auf das Meer hinaus. Endlich begann ich mich ein wenig zu erholen. Während unserer Wanderung hatte ich mich schließlich doch entschlossen, Butler, der sich als feinsinniger und aufmerksamer Gesprächspartner entpuppte, zumindest ein paar Details aus meiner Jugend zu berichten; ich hatte den Eindruck, er benötige Unterstützung. Nicht, dass ich davon ausging, ihm fehle es an Persönlichkeit oder Willensstärke, aber er suchte nach jemandem, der sein Problem ernst nahm. Ich konnte mit Fug und Recht behaupten, ihn in den wenigen gemeinsamen Stunden recht gut kennengelernt und ihm ein paar nützliche Ratschläge gegeben zu haben. Er hatte auch über seinen ermordeten Onkel willig Auskunft gegeben. Natürlich war dieser eine Art Ersatzvater gewesen, aber eine wirklich enge Beziehung hatte sich nie ergeben, auch wenn Montgomery alles in seiner Macht Stehende für seinen Neffen getan hatte. Sein Amt und den Dienst an der Anglikanischen Kirche hatte der Bischof immer schon als die höchste ihm aufgetragene Aufgabe angesehen.
    Â»Glauben Sie wirklich, dass Holmes das Geheimnis um

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