Das Geheimnis von Digmore Park
wünschte, es gäbe einen anderen Weg. Doch ich weiß nicht, wie lange man noch vorhat, uns hier festzuhalten, und langsam verliere ich die Geduld.“
„Gesetzt den Fall, deine Flucht aus dem Fenster ist erfolgreich, Frederick, was willst du dann tun?“
„Ich werde noch hier in diesem Zimmer eine Nachricht darüber verfassen, dass du im Turmzimmer eingeschlossen bist. Diese werde ich vor dem Haus an gut sichtbarer Stelle fallen lassen. Je schneller die Diener wissen, wo du dich aufhältst, desto schneller können sie dich befreien.“
Sie dankte ihm mit einem liebevollen Lächeln. Sie liebte ihn dafür, dass er zuerst an sie gedacht hatte.
„Und dann werde ich zu Jupiter zurückkehren. Ich kann nur beten, dass er in der Zwischenzeit genug Gras zu fressen gefunden hat und sich nicht abgemagert und verstört weigert, weiter gute Dienste zu tun.“
Das hoffte Elizabeth allerdings auch. „Und wo willst du dann hin? Zurück ins Wirtshaus im Wald? Wie lange …“
„Mein erster Weg, meine Liebe, wird mich nach Worthing zu meiner Verlobten führen. Ich muss sie bitten, mich freizugeben. Nach allem, was zwischen uns geschehen ist, kann ich unmöglich der Mann einer anderen Frau werden.“
Elizabeth liebevolles Lächeln erlosch schlagartig. „Ach, wie überaus taktvoll.“
Dewarys rechte Augenbraue schnellte in die Höhe. „Womit habe ich denn diesen Sarkasmus verdient? Du weißt, dass ich dir heute noch keinen Antrag machen kann, denn noch bin ich an eine andere gebunden.“
„Du denkst doch nicht, dass ich den Antrag eines Mannes annehmen werde, den allein Skrupel und schlechtes Gewissen zu diesem Schritt veranlassen?“
Dewary schüttelte fassungslos den Kopf. „Das glaubt du doch nicht wirklich, Elizabeth, oder?“
Ihrer Miene war deutlich anzusehen, dass sie im Augenblick nicht wusste, was sie glauben sollte.
„Natürlich ist es nicht richtig, dass wir beide uns in diesen Räumen aufhalten, und noch unschicklicher ist es, wie wir uns dabei benehmen. Doch es waren nicht wir selbst, die wir uns das ausgesucht haben, nicht wahr?“
Sie antwortete nicht, doch ihre Gesichtszüge entspannten sich.
Er drehte ihr Kinn mit dem Zeigefinger zu sich. „Sieh mich bitte an, Elizabeth, bitte.“
„Es sind weder Skrupel, noch ist es schlechtes Gewissen, die mich dazu drängen, dich zu fragen, ob du mich heiraten möchtest.“
„Du möchtest mich also nicht heiraten“, flüsterte sie. In der Hoffnung, die Antwort bereits zu kennen, schwang ein Hauch von Angst, sie könnte sich in ihm getäuscht haben.
Er spannte sie nicht lange auf die Folter. „Ich liebe dich, Elizabeth, und ich hoffe, du weißt das.“
Die selbstbewusste Miss Porter, die Herrin eines großen Landsitzes, spürte, wie sie heftig errötete. Dewary zog sie in seine Arme und küsste sie mit all seiner Leidenschaft – beglückt von der Hingabe, mit der sein Kuss erwidert wurde. Was für eine aufregende Ehe würden sie führen! Jetzt konnte er es noch weniger erwarten, endlich wieder seinen angestammten Platz einzunehmen.
Sie hatten sich gerade wieder an den Frühstückstisch gesetzt, als ein seltsames Klopfen sie auffahren ließ. Dewary sprang von seinem Stuhl hoch, riss die Tapetentür auf: Nichts! War da jemand an der Zimmertür? Und was wollte er? Kam man, um ihm zu helfen? Schergen, die einen zum Galgen bringen wollten, waren für gewöhnlich nicht so höflich anzuklopfen.
„Kommen Sie herein!“, rief er.
Doch auf dem Flur blieb alles ruhig. Und als er die Klinke drückte, war sie versperrt wie in den letzten Tagen. Als sich das Klopfen verstärkte, fuhr Elizabeth herum und sah mit großen Augen vor dem Fenster, wie auf magische Weise, das Gesicht von Lord Bakerfield, die Nase an die Scheibe gedrückt. Sein Gewehr hing über der linken Schulter. „Da!“, rief sie aus, „sieh nur, Lord Bakerfield! Achtung, mein Lieber, er trägt eine Waffe!“ Bei den letzten Worten überschlug sich ihre Stimme vor Aufregung.
Dewary achtete nicht auf ihre Warnung. Er eilte seinem Cousin entgegen und öffnete den benachbarten Fensterflügel. „Was um Himmels willen … eine Leiter! Potz Blitz, so viel Mut hätte ich dir nie zugetraut!“
„Eine wahrlich freundliche Begrüßung für deinen Retter, das muss ich schon sagen. Dewary, du bist unübertrefflich!“, knurrte Mylord.
Dewary runzelte die Stirn. „Du bist gekommen, um mich zu retten? Ausgerechnet du?“
„Ausgerechnet ich, Dewary. Doch wenn wir hier noch lange herumstehen, dann sind
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