Das Geheimnis von Ella und Micha: Ella und Micha 1 - Roman (German Edition)
ich es versuchen«, murmele ich, setze mich auf und werfe das Kissen von meinem Schoß. »Denk doch mal daran, wie ich war, was für einen Mist ich gebaut habe. Lauter blöden, riskanten Mist. Es war abzusehen, dass ich durchdrehen würde, und die Nacht damals hat es bewiesen. Ich habe mich fast … Ich … Ich habe mich fast umgebracht.«
»Nein, hast du nicht. Ich kenne die Geschichte, und du hättest es nie getan«, sagt er bestimmt. »Du hast bloß versucht, einige Dinge zu begreifen. Und das tust du immer noch.«
»Nein, ich wollte es machen«, erwidere ich, obwohl es gelogen ist. »Mein Verstand mag nicht ganz klar gewesen sein, aber ich erinnere mich noch, dass ich, als ich auf die Brücke stieg, springen wollte.«
Er schüttelt den Kopf. »Dann erinnerst du dich nicht mehr, was hinterher mit Micha passiert ist.«
»Doch, das tue ich.« Ich hole zittrig Luft. »Ich habe ihn geküsst und ihn auf der Brücke stehen gelassen. Danach bin ich nach Hause, habe meine Sachen gepackt und bin geflohen.«
»Nein, es ist noch etwas in der Nacht geschehen.« Er runzelt die Stirn. »Micha brachte dich woandershin. Jedenfalls hat er mir das erzählt.«
Ich kratze mich am Handgelenk, denke nach, doch die Ereignisse vor acht Monaten sind nur verschwommene Bilder. »Daran erinnere ich mich nicht.«
»Wie ich es verstehe, warst du verwirrt und ziemlich traurig. Das ist nie eine gute Kombination. Glaub mir, ich kenne das.« Er greift nach seinem Stock. »Micha hat dich vor dem Sprung bewahrt, aber das war nicht alles.«
»Du sagst, du kennst das. Was genau soll das heißen?«
»Es soll heißen, dass ich mal an dem Punkt war, an dem ich dachte, dass es nur noch bergab gehen kann.«
Ich überlege. »Eigentlich bin ich hergekommen, um zu sehen, wie es dir geht, und jetzt reden wir nur über mich.«
»Ja, aber das habe ich gebraucht«, sagt er. »Ich bin es gründlich leid, dass jeder nur über meinen Tod sprechen will.«
Ich mache den Mund auf, doch da wird die Tür quietschend geöffnet. Es ist jedoch nicht Micha, sondern eine Frau in mittleren Jahren. Sie trägt eine schwarze Jogginghose und ein weißes T-Shirt. Ihr blondiertes Haar ist zu einem Zopf geflochten, und sie hat eine große schwarze Tasche bei sich.
Während sie die Tür schließt, grinst sie Grady zu. »Du bist schon wieder ungezogen. Du weißt doch, dass du nicht aufstehen sollst.«
Grady verdreht die Augen, allerdings mit einem Lächeln. »Ja, ich bin unartig gewesen. Ich schätze, du musst mich bestrafen.«
Ich bemühe mich, diese Anzüglichkeiten zu ignorieren, so gut ich kann, aber es ist lachhaft peinlich.
»Ella, das ist Amy.« Seine Stimme klingt merklich weicher, als er ihren Namen sagt.
Ich stehe von der Couch auf, um Amy die Hand zu geben, und bemerke, dass sie keinen Ring trägt. »Sind Sie seine Krankenschwester?«
Grady beginnt, sich mühsam aufzurichten, und Amy will ihm helfen, worauf er sofort abwinkt. »Ich schaffe das schon. Noch bin ich kein Krüppel.«
Stöhnend zieht Amy sich zurück. »Ja, ich bin seine Krankenschwester und soll mich eigentlich um ihn kümmern. Aber er ist ein Sturkopf und will mich meinen Job nicht anständig machen lassen.«
Er knurrt erst, dann lacht er leise. An seinem Stock geht er in Richtung Küche und dem Schlafzimmer dahinter. Seine Füße schlurfen über den abgewetzten orangenen Teppich. »Ella, kannst du morgen wiederkommen? Ich möchte noch ein bisschen mit dir plaudern.«
»Okay, ich komme wieder«, verspreche ich, während er in dem engen Flur verschwindet. Dann drehe ich mich zu der Krankenschwester um. »Wie schlimm ist es?«
Sie stellt ihre Tasche auf dem Küchenschrank ab und zieht den Reißverschluss auf. »Was hat er dir erzählt?«
»Dass er Krebs hat«, antworte ich. Sie holt einige Beutel aus ihrer Tasche. »Sonst nichts. Er redet nicht gerne über sich.«
Sie greift wieder in die Tasche und fördert mehrere Arzneifläschchen zutage. »Nein, tut er nicht, was?« Sie schüttelt eine Flasche mit einer klaren Flüssigkeit. »Er hat Knochenkrebs im viertem Stadium.«
Mich haut es beinahe um. »Viertes Stadium, und das heißt?«
»Das heißt, dass er einen schweren, kurzen Weg vor sich hat«, erklärt sie unverblümt. »Du bist Ella Daniels, nicht? Ist dein Vater Raymond Daniels?«
Meine Finger krallen sich in die Sessellehne, als wäre sie ein Rettungsring. »Ja. Warum?«
»Nur so«, sagt sie achselzuckend. »Grady spricht bloß manchmal von dir.«
»Sie kennen meinen
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