Das Geheimnis von Ella und Micha: Ella und Micha 1 - Roman (German Edition)
geschleudert werden. Mit einer Hand stütze ich mich am Armaturenbrett ab, damit ich nicht mit dem Kopf dagegenknalle.
»Bist du wahnsinnig?« Lilas Stimme überschlägt sich fast. Sie rutscht wieder auf der Rückbank nach hinten und zupft sich ihr Kleid über die Knie. »Was ist eigentlich mit euch zweien los?«
Micha und ich sehen uns an, und in mir brennt ein Verlangen, dessen Existenz ich jederzeit abstreiten würde. Mein Herz pocht sehr fest und sehr lebendig. Für eine Sekunde bin ich zurück an dem Ort, den ich verloren hatte.
Dann macht Micha alles kaputt.
»Siehst du, die alte Ella gibt es noch.« Mit einem arroganten Grinsen fährt er über die Kreuzung. »Sie brauchte bloß einen kleinen Schubs.«
Ich lege meinen Sicherheitsgurt an, um ihm das Gegenteil zu beweisen. »Nein, die gibt es nicht mehr. Sie ist endgültig weg.«
»Red dir das ruhig ein, aber ich hole sie zurück.« Er beißt sich auf die Lippe, sieht wieder zur Straße und murmelt: »Ich lasse nicht zu, dass dich jene Nacht auf immer zerstört.«
Das hat sie längst. Sie brach mich in abertausend Stücke und verstreute sie in alle Windrichtungen wie zerkrümeltes Laub. Jene Nacht war die unglaublichste, die ich erlebt habe.
Danach rauschte ich in einen Abgrund.
Kapitel 5
MICHA
Da ist sie, die Ella, die ich kannte. Ich sehe in ihren grünen Augen, dass es sie scharf macht. So war sie schon immer, irgendwie schräg. Tempo und Gefahr sind voll ihr Ding. Dann muss ich den Motor drosseln, und das Feuer ist verschwunden. Sie macht ihren Gurt fest und murmelt etwas, dass es die Ella, die ich gekannt habe, nicht mehr gibt, aber ich werde ihr das Gegenteil beweisen. Ich habe große Pläne, wie ich meine beste Freundin wiederbekomme, ob sie will oder nicht.
Sie trägt einen kurzen Rock und ein Trägertop, das eng genug ist, um ihre Kurven zu zeigen. Es macht mich irre, dass ich sie nicht anfassen darf.
»Was ist mit dem Abbieger passiert?«, fragt sie, als wir an der Stelle vorbeifahren, an der wir früher bei unseren Touren geparkt haben. »Kann man nicht mal mehr den Weg zur Bucht rauffahren?«
»Nein, man kommt nur noch zu Fuß oder mit einem Geländewagen hin.« Die Zufahrt ist von einem großen Zaun versperrt, damit keine Wagen mehr auf den Feldweg abbiegen können, der zu einer abgelegenen Lichtung nahe dem See führt. »Sie haben die Zufahrt gesperrt, nachdem sie ein paar Leute wegen Drogen und Alkohol festgenommen haben.«
»Jemand dabei, den ich kenne?«, fragt sie und mimt die Gleichgültige.
Ich trommele mit den Fingern auf dem Lenkrad. »Ja, du sitzt neben einem von ihnen. Aber mich haben sie bloß wegen Alkoholbesitz drangekriegt.«
Ihre Freundin hinten stößt einen stummen Schrei aus, und ich ertappe Ella dabei, wie sie heimlich die Augen verdreht.
»Was hast du bekommen?«, fragt sie.
»Bewährung und Aggressionsbewältigung.« Ich gebe mich genauso ungerührt wie sie.
Sie sieht zu mir. »Aggressionsbewältigung?«
»Ich hatte nebenbei Grantford Davis ins Gesicht geschlagen«, erkläre ich. »Ziemlich fest. Die Nase und so waren gebrochen.«
Wieder macht ihre Freundin diesen erschreckten Laut, und ich frage mich, wie Ella mit ihr befreundet sein kann. Mir kommt sie wie eine naive Prinzessin vor.
Ella mustert mich mit ihren schönen Augen, die immer verraten, was sie wirklich denkt. »Wieso hast du ihn geschlagen?«
»Ich schätze, das weißt du.« Ich weiche ihrem Blick nicht aus.
»Ich hatte ihn gebeten, mich zur Brücke zu fahren, Micha«, sagt sie, und es klingt, als würde sie daran ersticken. »Es war nicht seine Schuld. Er hat mir bloß einen Gefallen getan.«
»Er hätte dich da nicht allein lassen dürfen.« Ich stelle den Blinker an und biege in einen Seitenweg, der in ein Feld mit hohem, trockenem Gras führt. »Nicht in der Verfassung. Du konntest kaum klar denken. Erinnerst du dich überhaupt an irgendwas von der Nacht?«
Sie spielt mit ihren Armbändern. »Weiß ich nicht genau.«
»Du weißt es nicht genau?«, frage ich vorwurfsvoll. »Oder willst du es nicht zugeben?«
Sie öffnet den Mund, schließt ihn aber gleich wieder und dreht den Kopf zum Seitenfenster, was bedeutet, dass sie sowohl mich als auch diese Unterhaltung ablehnt.
ELLA
Schon den ganzen Tag, bevor ich nachts zur Brücke ging, war ich komisch drauf gewesen. Meine Mom war einige Wochen vorher gestorben, und ich wurde dieses eklige Gefühl in der Brust nicht los. Ich wollte aber, dass es aufhört. Dringend. Deshalb griff ich zu
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